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Revolutionsgarden sind Mehrheitseigner an Telekom-Firma. | Teheran/Wien. Der Iran kommt nicht zur Ruhe. Am Rande des Freitagsgebets hörte man gestern wieder "Tod dem Diktator"-Rufe. Berichtet wurde davon offiziell freilich nichts. Nach der blutigen Niederschlagung diverser Anti-Regierungsproteste seit der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad sind Massendemonstrationen der "Grünen", wie die Unzufriedenen sich entsprechend der Wahlkampffarbe von Oppositionsführer Mir Hossein Moussavi nennen, wieder voll in Gange.
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Zwar riss die Protestwelle vor allem an den Universitäten nie ganz ab, Menschenansammlungen auf offener Straße wurden jedoch von den Sicherheitskräften weitgehend verhindert. Deshalb nutzten viele Demonstranten den 4. November, den Tag der US-Botschaftsbesetzung, als Alibi, um sich zu versammeln. Pikant ist, dass viele Studenten, die 1979 an der US-Geiselnahme beteiligt waren, im Iran zuerst eine steile Karrieren machten, sich heute jedoch vom Regime abgewandt und auf Seiten der Protestierenden geschlagen haben.
Mohsen Mirdamadi etwa war Sprachrohr der Botschafts-Besatzer und wurde dann Chef des einflussreichen Komitees für Nationale Sicherheit und Außenpolitik. Inzwischen ist er einer der schärfsten Kritiker der Führung, wurde am Tag nach der Wahl verhaftet und sitzt seither im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis.
Veranstaltungen vonOpposition unterwandert
Mit der seit Monaten praktizierten Taktik, die vom Regime organisierten Demos zu unterwandern und zu übernehmen, haben die "Grünen" die Regierung in die Enge getrieben: Absagen kann Teheran offizielle Veranstaltungen nicht, da sie die Macht der Führung zeigen sollen. Nun reicht es den Milizen. Mit einem rigorosen Maßnahmenpaket sollen die Oppositionskräfte künftig systematisch zum Schweigen gebracht werden. Die Liste der erteilten Befehle ist lang, doch das Schlüsselwort heißt Massenüberwachung auf allen Ebenen: Das Kulturministerium diktierte Zeitungen, sie dürften künftig nur über offizielle Kundgebungen berichten. Die Nachrichtenagenturen Reuters und Agence France Press wurden mit einem Rechercheverbot belegt.
Die Bevölkerung wird sich in Zukunft überlegen, wie und wozu sie die herkömmlichen Kommunikationskanäle wie SMS und Telefon nutzt. Das größte Telekommunikationsunternehmen Irans (TCI) ist nämlich seit knapp einem Monat zu einem Kaufwert von umgerechnet 7,8 Milliarden Dollar mehrheitlich in den Besitz der Revolutionsgarden gewandert. Dass Bürger in Teheran und anderen Städten in dieser Woche Droh-SMS, mit denen sie vor der Teilnahme an "illegalen Protesten" gewarnt wurden, erhielten, dürfte also bald Routine werden. Ans Aufgeben denken die Regimegegner dennoch nicht.