Hafenstadt ist wieder irakisch - und unsicherer. | Basra/Wien. Wo man hinsieht, ist eine weite Marschlandschaft zu sehen. Der Zusammenfluss von Euphrat und Tigris nördlich von Basra hat diese Sümpfe geschaffen. Von Saddam Hussein trockengelegt, um den gegen ihn rebellierenden Schiiten die Rückzugsmöglichkeit zu nehmen, ist das Gebiet nach dem Sturz des Diktators wieder geflutet worden. 75 Prozent der Fläche stehen jetzt unter Wasser.
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Der 24-jährige Khaled vergleicht seine Stadt mit Bagdad: "In Basra gibt es mindestens 13 Stunden Strom am Tag, während die Einwohner von Bagdad oft tagelang keinen haben. Es gibt genügend Wasser, wenn auch von schlechter Qualität. In Bagdad dagegen tropft der Wasserhahn in einigen Stadtvierteln nur noch leise vor sich hin. Es gibt keine Ausgangssperre bei uns und unsere zwei Millionen Einwohner bevölkern die Märkte und die Restaurants", erklärt Khaled stolz. "Außerdem greift die Zerstörung in Bagdad immer mehr um sich, in Basra wird aufgebaut", so der Student weiter.
Als wir ihn auf die Sicherheit ansprechen, senkt er seinen Kopf. Seine Stimme wirkt traurig, fast resignierend. "Wie war man doch optimistisch bei der feierlichen Übergabe Basras durch die Briten an die Iraker vor ein paar Wochen", seufzt Khaled. "Und was ist aus der Freude geworden? Sie ist inmitten der bodenlosen Gewalt verschwunden", fährt er wütend fort.
Tatsächlich versprach man sich Ende 2007 mit der Übergabe Basras an die Iraker mehr Sicherheit. Einer, der die Lage damals schon nüchterner betrachtet hatte und sich jetzt bestätigt sieht, ist der britische Außenminister David Miliband. Der Irak sei weiterhin ein sehr, sehr gewalttätiges Pflaster und man übergebe hier kein Land von Milch und Honig, kommentierte der Chefdiplomat damals.
Terror gegen Frauen
Auch nun ist der wachsende Terror allgegenwärtig. Vor allem Frauen werden für Verstöße gegen streng islamische Bräuche verfolgt und oft auf brutale Weise ermordet. Die Hoffnung des Gouverneurs auf ein "waffenfreies Basra" klingt da eher wie das Pfeifen im Walde. Allein 88 Frauen wurden im Verlauf der letzten Monate in Basra wegen "unislamischen Verhaltens" gefoltert und ermordet.
Verdeutlicht wird dieser gottesstaatähnliche Alltag bei einem Blick auf die Hauswände. Hier finden sich Drohungen wie "Wir warnen alle Frauen, die nicht islamische Kleidung tragen, dass wir sie töten werden." Selbst große Firmen müssen aufpassen, dass sie nicht ins Fadenkreuz der Islamisten geraten. Die Mobilfunkfirma MTC beispielsweise kam unter Druck, als sie telefonierende Frauen ohne "Hejab" (islamgerechte Bekleidung für Frauen) auf Werbeplakaten abbildete. Die Plakate wurden niedergerissen. Jetzt lächelt eine junge Verschleierte die Bewohner an. Die Mahdi-Armee, die die ganze Stadt kontrolliert, steckt hinter diesen gottesstaatähnlichen Nuancen. Die Miliz des Schittenführers Moktada al-Sadr, die er 2003 nach der Invasion der Koalitionstruppen ins Leben rief, hat auch in Bagdad großen Einfluss.
Was man in den Geschäften der Stadt sieht, sind oft iranische Lebensmittel, Obst und Gemüse, Milch und Ziegenkäse, Fleisch und Fisch, Gewürze, Hausschlapfen und Ventilatoren. Von der Uferstraße in Basra kann man den Iran schon sehen. Viele, die während des Irak-Iran Krieges in den 80er Jahren in den Iran geflohen waren, kommen jetzt zurück und richten ihr Leben hier so ein, wie sie es dort gewohnt waren. Zweite Amtssprache in Basra ist mittlerweile Farsi (Persisch), auch die Verwaltung und die Studentenorganisationen funktionieren wie in Teheran. Das neue Selbstbewusstsein der Schiiten wird in Basra nach iranischen Vorbild mit allen Mitteln vorgelebt. Selbst Khaled sagt uns zum Abschied "Khodahafez" (Auf Wiedersehen auf Persisch, Anm.).