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Wie soll es mit den US-Truppen im Irak weitergehen? Am 31. Dezember 2008 läuft das bisherige Abkommen aus. Und auf den neuen US-Präsidenten wartet eine enorme Herausforderung. | Der Irak hat im US-Wahlkampf in letzter Zeit nicht viel Aufmerksamkeit erhalten: Denn die Gewalt dort konnte deutlich eingedämmt werden. Nun machen sich die Politiker aber große Sorgen, wie es weitergehen soll, denn die Verhandlungen zwischen Bagdad und Washington über den künftigen Status der US-Truppen im Irak stecken in einer Sackgasse.
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Beiden Seiten scheint der Verhandlungsspielraum auszugehen. Am 31. Dezember läuft aber das bisherige Abkommen aus. US-Regierungsbeamte warnen, dass es keinen Plan B gibt, keine neue Resolution des UNO-Sicherheitsrats, um die mit Jahresende auslaufende zu ersetzen.
"Ich habe versucht klarzumachen, was es bedeuten würde, kein Sofa-Abkommen zustande zu bringen", sagte mir der US-Botschafter im Irak Ryan Crocker in einem Telefoninterview: "Die Iraker sollen sich keine Illusionen machen, dass eine Laufzeitverlängerung der UN-Resolution eine bequeme Alternative wäre." Er habe die Iraker gewarnt, dass die US-Truppen ohne offizielles UN-Mandat am 1. Jänner 2009 zu ihren Stützpunkten zurückkehren würden. "Ohne legalen Handlungsauftrag handeln wir nicht", so Crocker. "Das heißt: keine Sicherheitsoperationen, keine Logistik, kein Training, keine Unterstützung der Iraker bei der Grenzsicherung - wirklich nichts."
Der Erfolg im Irak war in den vergangenen Monaten so groß, dass viele die Zerrissenheit des Landes schon vergessen haben. Diese besteht aber nach wie vor: Sunniten gegen Schiiten, Kurden gegen Araber, regionale Behörden gegen die Regierung. Durch die wachsende Unsicherheit über die Zukunft der US-Truppen im Irak gewinnen diese Spannungen neue Kraft.
"Die Kurden sehen das Ganze immer noch als Nullsummenspiel, wie alle anderen auch", beklagte sich ein anderer hoher US-Regierungsbeamter, der an den Verhandlungen beteiligt ist. Keiner der Schiiten-Führer wolle das sogenannte Sofa-Abkommen offiziell unterstützen - sie befürchteten eine Stigmatisierung.
Der Iran unternehme zudem eine aggressive Undercover-Kampagne, um das Abkommen zu verhindern, sagen US-Regierungsbeamte. Laut General Ray Odierno, dem neuen US-Oberkommandierenden im Irak, haben iranische Geheimdienstmitarbeiter versucht, irakische Parlamentarier zu bestechen: Sie sollten das Abkommen bei der Abstimmung ablehnen.
Wenn es auch von irakischer Seite offiziell dementiert wird, so bestätigen doch US-Geheimdienstmitarbeiter, dass sie iranische Kuriere erwischt haben, die mit Koffern voller Geld für pro-iranische Parteien im Irak unterwegs waren. Offenbar wollen die Iraner den Einfluss der USA im Irak zurückdrängen, indem sie ein neues US-irakisches Abkommen verhindern.
"Soll ich den Irak mit einem Wort beschreiben", so Crocker, "dann ist es: Angst. Jeder hat Angst vor jedem. Die Iraker haben Angst vor der Vergangenheit, vor der Gegenwart und vor der Zukunft. Sie haben Angst vor den Folgen der Unterzeichnung des Abkommens. Sie sollten aber viel mehr Angst davor haben, das Abkommen nicht zu unterzeichnen."
Als weitere Komplikation auf dem Weg aus dieser Sackgasse erweist sich die Hoffnung vieler irakischer Politiker, dass Barack Obama am 4. November zum nächsten Präsidenten der USA gewählt werden könnte und dass sie mit ihm einen besseren Deal aushandeln könnten.
Sollte Obama tatsächlich die Wahl gewinnen, wäre das eine erste Gelegenheit, seine Führungsqualitäten unter Beweis zu stellen, indem er das Abkommen unterstützt, an dem Crocker so hart arbeitet.