Abmachung mit Haider, dass Parteien bei Millionenhonorar mitschneiden.|100.000 Euro sollen an ÖVP geflossen sein.| FPK-Politiker ebenfalls schwer belastet.|Staatsanwaltschaft prüft weitere Schritte, Freiheitliche klammern sich an Regierung.
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Wien/Klagenfurt. Mehr als drei Jahre lang hat das in Kärnten gewachsene System Haider den tragischen Unfalltod des verherrlichten Landeshauptmannes überlebt. Nun ist es mit lautem Knall auseinandergebrochen.
Im Untreueprozess um das Sechs-Millionen-Euro-Honorar für den Wirtschaftsprüfer Dietrich Birnbacher hatte dieser am Mittwoch zunächst sein früheres Geständnis maßgeblich erweitert: Es sei bereits im Herbst 2007 geplant gewesen, dass das Geld zu je einem Drittel an ihn, die ÖVP von Parteichef Josef Martinz sowie an Jörg Haiders damaliges BZÖ (nun FPK) fließen sollte, erklärte der Steuerberater laut Austria Presse Agentur.
Birnbachers weitere Ausführungen ließen nichts an Details vermissen: Im Sommer 2008 habe Martinz angekündigt, dass er ihm "etwas herunterreißen" wolle. Daraufhin bezahlte Birnbacher eine Rechnung über 35.000 Euro, die die Anwältin des Landesparteichefs für "Rechtsberatung in Zusammenhang mit Medienberichterstattung" gelegt habe. Weitere 65.000 Euro habe er an Martinz bei einer Weihnachtsfeier in einem Kuvert übergeben. Später hätten dann die FPK-Politiker Harald Dobernig und Uwe Scheuch ihrerseits 500.000 Euro für die Partei gefordert. Geflossen sei allerdings nichts: "Haider war ja schon tot", erklärte Birnbacher vor Gericht.
Erinnerungslücke bei Martinz
Mit dieser Darstellung konfrontiert, trat Martinz, der ebenfalls angeklagt ist, die Flucht nach vorne an und legte - völlig überraschend - selbst ein Geständnis ab. Die Angaben Birnbachers seien demnach im Wesentlichen richtig gewesen - an die Sache mit der Rechnung könne er sich allerdings nicht erinnern.
Martinz gab noch im Gerichtssaal seinen Rücktritt als ÖVP-Landesparteichef und seinen Parteiaustritt bekannt. Am Nachmittag tagten dann die Parteigremien, um zunächst als Übergangslösung einen geschäftsführenden Obmann zu bestellen. Eine Entscheidung lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor.
Um Schadensbegrenzung war man am Mittwoch in der Bundes-ÖVP bemüht (siehe Artikel unten). Nicht nur, dass Martinz nach jahrelangem Leugnen nun versteckte Parteienfinanzierung eingestanden hat: Birnbacher ließ noch dazu mit einem für die Volkspartei äußerst unangenehmen Detail aufhorchen. Martinz habe sich das "Know-how" für die Parteienfinanzierung beim ehemaligen ÖVP-Innenminister und niederösterreichischen Landesgeschäftsführer Ernst Strasser geholt, so der Wirtschaftsprüfer in seinem Geständnis.
Strassers Rechtsanwalt Thomas Kralik wies das im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" zurück. Diese Behauptung sei "völliger Unsinn", so Kralik. Martinz habe Strasser lediglich einmal gefragt, ob dieser nicht einen Wirtschaftstreuhänder für ein Gutachten in Zusammenhang mit dem Thema Birnbacher wüsste. Strasser habe Martinz diesbezüglich nicht weiterhelfen können. Sonst habe es keinerlei Gespräche gegeben, betont Kralik.
FPK weist Vorwürfe zurück
Auch FPK-Parteichef Uwe Scheuch und Finanzlandesrat Harald Dobernig wiesen umgehend sämtliche Vorwürfe zurück: "Das Ganze ist ein weiterer untauglicher Versuch, die Freiheitlichen in Kärnten und ihre Führungsspitze anzupatzen und zu beschädigen", erklärten Scheuch und Dobernig in einer Aussendung. Zwar habe es im Jahr 2009 ein kurzes Gespräch mit Birnbacher gegeben. Dabei sei es um mediale Vorwürfe gegangen, wobei Birnbacher unmissverständlich klargestellt habe, dass kein Geld an Haider oder an die Partei geflossen sei und dass es keine diesbezügliche Vereinbarung zwischen ihm und Haider gegeben habe.
Zur Erinnerung: Haider und Martinz beauftragten Birnbacher im Frühjahr 2007 damit, beim Verkauf von Hypo-Anteilen der Kärntner Landesholding an die BayernLB die Interessen des Landes Kärnten zu wahren. Die Leistung, die der Wirtschaftsprüfer tatsächlich erbrachte, wird seit Jahren kritisch hinterfragt. Bezahlt hat das Millionenhonorar jedenfalls die Landesholding, weshalb deren Chefs gemeinsam mit Martinz und Birnbacher nun wegen angeblicher Untreue vor Gericht sitzen. Die Vorstände haben ihrerseits diesen Vorwurf immer bestritten. Sie wurden am Mittwoch von Birnbacher entlastet, da dieser aussagte, sie hätten von den Malversationen nichts gewusst.
Spannend ist, wie es nun weitergeht: Martinz’ Anwältin, Astrid Wutte-Lang, erlebt in ihrem ersten - in Klagenfurt mit Interesse erwarteten - großen Strafprozess ein veritables Fiasko. Birnbachers Aussagen zufolge soll sie die - eingangs erwähnte - problematische Rechnung gelegt haben. Wutte-Lang erklärte zwar, mit Parteienfinanzierung nichts zu tun zu haben. Das Mandatsverhältnis mit Martinz musste sie aber dennoch umgehend lösen. Detail am Rande: Kanzleikollegin von Wutte-Lang ist ausgerechnet die frühere Kärntner SPÖ-Chefin Gaby Schaunig.
Was mögliche Ermittlungen gegen die nun zusätzlich belasteten Personen anbelangt, verwies man bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt am Mittwoch darauf, dass es noch zu früh sei, dazu etwas zu sagen. Die Ergebnisse der Hauptverhandlung würden jedenfalls geprüft, erklärte Staatsanwaltschaftssprecher Helmut Jamnig im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Nach Prüfung und Analyse würden erforderlichenfalls entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Urteil Anfang August?
Feststeht, dass der ursprünglich angepeilte Termin für die Urteilsverkündung, der 1. August, nicht zu halten sein wird. Wegen des Anwaltswechsels bei Martinz wird das Verfahren am 6. August fortgesetzt. Ein Urteil könnte am 9. August fallen, wobei dies alles andere als sicher sei, wie zu hören ist.
Fraglich ist, inwieweit Martinz von seinem Geständnis tatsächlich profitieren kann: Reue zeigte der - nunmehr ehemalige - ÖVP-Chef erst auf Nachfrage des Richters. Damit könnte jedoch auch die mildernde Wirkung des Geständnisses deutlich eingeschränkt sein. Bei einem Strafrahmen von ein bis zehn Jahren Haft ist das durchaus von Bedeutung. Beobachtern zufolge unterläuft einem gut auf ein Geständnis vorbereiteten Angeklagten ein solcher Fehler nicht. Dem Vernehmen nach soll aber sogar seine Anwältin am Mittwoch von dem Schritt überrascht gewesen sein.
Martinz versuchte, sich als Opfer Haiders darzustellen: Nach der Abwicklung des Hypo-Verkaufes hätten Haider und er zwar die Idee entwickelt, "dass etwas an die Parteien gehen soll". Es sei ein Fehler gewesen, sich mit Haider einzulassen. "Ich bin in einen Strudel gezogen worden", so Martinz. Im Laufe des Tages erklärte er in einer Aussendung, es, tue ihm leid, dass sich auf das "System Haider" eingelassen habe. Das sei "persönlich und politisch" ein Fehler, den er zutiefst bereue. Er habe innerhalb der ÖVP alleine gehandelt und übernehme auch die alleinige Verantwortung dafür, betonte Martinz. Er sei unter dem "enormen Druck" gestanden, die Parteifinanzen sanieren zu müssen.
Rückforderung des Landes
Nun dürfte auf Martinz - wie auf Birnbacher - eine Sechs-Millionen-Euro-Rückforderung der Kärntner Landesholding zukommen: Deren Aufsichtsrat hat vor wenigen Tagen beschlossen, sich dem Strafverfahren gegen Martinz und Birnbacher als Privatbeteiligte anzuschließen, was als Vorstufe für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gilt.
SPÖ und Grüne forderten am Mittwoch umgehend Neuwahlen in Kärnten: Es sei "unvorstellbar, welche dubiosen Geschäfte" hier durchgezogen worden seien, hieß es in einer Aussendung der SPÖ. Der Grüne Landtagsabgeordnete Rolf Holub erklärte, dieser "Parteienfinanzierungsskandal übersteigt jedes Maß". Holub verweist außerdem auf Martinz’ Aussagen zur Causa Birnbacher im Hypo-Untersuchungsausschuss.
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