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Die neuen EU-Mitgliedsländer und auch die Beitrittskandidaten Rumänien, Bulgarien und Kroatien erleben einen wahren Touristen-Boom. Alle haben die Besucherzahlen und Erlöse aus dem Fremdenverkehr steigern können. Ausländische Investoren gehen verstärkt in diese Wachstumsindustrie, die freilich auch noch ihre Probleme zu bewältigen hat.
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Die neuen Tourismusländer jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhanges haben schnell gelernt und wissen, dass sie "Events" und ausgefallene Attraktionen bieten müssen, um in einem weltweiten Angebot auffallen zu können und Gäste anzulocken. Dabei kopieren sie "westliche" Vorbilder und verfallen dabei manchmal auch auf recht bizarre, teils auch recht originelle Ideen. Privat-Initiative in Polen macht's möglich, was sich der offizielle polnische Tourismusverband zunächst nicht getraut hätte: Nämlich NS-Nostalgikern (und auch Geschichtsinteressierten) eine Führung durch das Ruinenfeld von Hitlers "Wolfsschanze" im heutigen Nordostpolen anzubieten. Zwar ist kaum mehr etwas zu sehen, aber dem "Schauer", den dieser Ort verströmt, tut dies keinen Abbruch und den Besuchern (vor allem aus Deutschland) gefällt es trotzdem. Dabei ist Polen das Land, das unter dem Hitlerfaschismus und dem Zweiten Weltkrieg wie kaum ein anderes gelitten hat. Aber nachdem der "private" Fremdenführer der Wolfsschanze nahe Rastenburg so gute Geschäfte mit der Vergangenheit machte, wollten auch die offiziellen polnischen Touristikmanager nicht nachstehen. Sie vermarkten nun für ihre deutschen Gäste die Besichtigung des "Ostwalls" als Attraktion.
Damit es nicht ganz so nach der Bedienung der Kriegsnostalgie für Veteranen und Ewiggestrige ausschaut, tarnen die Polen das Angebot quasi naturkundlich: Die verlassenen Anlagen des Ostwalls, so heißt es in der Werbung, "sind heute eines der größten Winterquartiere für Fledermäuse in Europa."
Bulgarien wiederum hat in der heurigen Sommersaison erstmals eine "Wasserhochzeit" an seinen Goldstränden am Schwarzen Meer angeboten. Das junge Paar wurde in einem neu gebauten, gigantischen Komplex vor der Kulisse künstlicher, donnernder Wasserfälle getraut. Dies soll künftig "Tradition" werden und vor allem auch Touristen anziehen, die sich das erste Spektakel denn auch nicht entgehen ließen. In den Rila-Bergen sollen die Gäste aus aller Herren Ländern in der Kunst unterrichtet werden, sich ihren eigenen "Rajka", den bulgarischen Anisschnaps zu brauen, nach alter Kunst und Tradition zu töpfern und Holz zu schnitzen.
Dinosaurierpark und Horror mit Dracula
Ein anderes Beispiel für Event-Tourismus und "Disneylandisierung" liefert Rumänien: Seit Frühjahr sind die Pläne für einen Dinosaurierpark im Südwesten des Landes fix und fertig, noch in diesem Herbst wird gebaut. Im Kreis Hunedoara hat man ja tatsächlich einzigartige Fossilienfunde gemacht und rund um diese Fundplätze wollen die rumänischen Touristikmanager ein Museum und auch einen Erlebnispark gestalten. Nach wie vor geistern auch Pläne herum, nahe Schäßburg, der "Perle Siebenbürgens" und zudem UNESCO-Weltkulturerbe, den "ersten Horrorthemenpark der Welt" zu errichten, der - wie könnte es anders sein - Dracula gewidmet ist. Es soll ein Draculaschloss mit Folterkammer, ein "Institut für Vampirologie", ein Luna-Park, Restaurants und Souvenirshops errichtet werden. Eine machtvolle Bürgerinitiative hat das das Projekt bisher verhindert.
Tschechien, das ohnehin mit Sehenswürdigkeiten, Kulturdenkmälern und weltberühmten Heilbädern überreich gesegnet ist, kann es auch nicht lassen, das "ganz Besondere" zu bieten:
Der Eigentümer einer Brauerei in Westböhmen hat mit dem Bau einer "Bierklinik" begonnen; hier wird nicht auf die "gesunde Kraft" des goldfarbigen Gebräus gesetzt, sondern der Manager, so berichtet die "Prager Post", hat noch anderes im Sinn: "Unser weltberühmtes Bier enthält viele Vitamine und die tschechischen Frauen sind sich schon lange der Möglichkeit des Biers als Schönheitsmittel bewusst. Bier wird seit Jahrhunderten als Haarfestiger verwendet und für die Haut ist nichts besser als eine Gesichtsmaske mit Braurückständen."
Ungarn wiederum versucht's mit Festivals, die auch die Pop- und Rockgeneration aus dem Westen anlocken soll: Das heurige Sziget-Festival auf der Obuda-Insel in der Donau konnte immerhin 370.00 Besucher anlocken und mehr als 100 ausländische (darunter die Pet Shop Boys und The Sugababes) und 350 ungarische Bands und Musikgruppen waren zu hören. Rund um den Plattensee stieg auch heuer das "Festival der Künste" mit fast 1000 verschiedenen Programmpunkten und zog neuerlich mehr Besucher an als je zuvor.
Ein kleiner Grenzkonflikt als "Touristenattraktion"
Slowenien und Kroatien hingegen boten ihren Touristen, die dies freilich kaum bemerkten und sich auch nicht darum kümmern, so wie schon in den vergangenen Jahren, maritime Muskelspiele in ihrem ungelösten Grenzkonflikt. Und da rasten dann die Schnellboote der kroatischen Marine mit ihren Schnellfeuerkanonen durch die Wasser der Piran-Bucht, um ein paar unbewaffnete slowenische Fischerboote mit viel Tam-Tam aufzubringen . . .
In einer so rasch sich entwickelnden Industrie wie dem Fremdenverkehr in den neuen und künftigen EU-Ländern gibt es natürlich auch unvermeidlich "Wachstumsprobleme". So haben sich etwa zur Saisonmitte die Vertreter vier großer europäischer Reiseveranstalter bei der rumänischen Tourismusbehörde ANT offiziell über Missstände in den Feriengebieten Mamaia und Eforie Nord an der Schwarzmeerküste beschwert, nämlich über Lärmbelästigung während der Nacht durch Discos, über Bautätigkeit Tag und Nacht auch vor Touristenunterkünften und über die berühmt-berüchtigten "streunenden Hunde" Rumäniens.
Die bulgarische Zeitung "Dnevnik" berichtete (der Artikel wurde von den offiziellen Tourismusmanagern wütend kritisiert) von Buchungschaos und Überkapazitäten, die durch Bauboom und dem Streben nach schnellem Geld ausgelöst wurden. So seien etwa in Zlatni Pyasatsi, das im vergangenen Jahr ausgebucht war, über den Winter und im Frühjahr neue Bettenburgen aus dem Boden gestampft worden. Resultat: Heuer war der Badeort nur zu 60 Prozent ausgebucht. Und das ist kein Einzelfall: Bulgariens Tourismusindustrie, so "Dnevnik" betreibe Übererschließung und viele kleine bulgarische Unternehmer würden daher schlicht und einfach bankrott gehen. Das Interesse italienischer, spanischer, britischer und anderer internationaler Hotelketten an den Stränden des Schwarzen Meeres in Rumänien und Bulgarien ist aber ungebrochen und auch die russischen Neureichen kaufen Villen, Grundstücke und Buchten (ebenso wie neuerdings in Montenegro).
In Teilen Tschechiens und auch in der Slowakei sorgt nach wie vor für Unmut, dass die Speisekarten für Touristen oft einen dreifach höheren Preis für dasselbe Gericht angeben wie jene, die Einheimischen auf den Tisch gelegt wird.
Eine ebenfalls weit verbreitete Klage der Touristikmanager von der Ostsee bis ans Schwarze Meer ist, dass die touristische Infrastruktur noch immer ungenügend ist, sodass die Gäste weniger Geld ausgeben können (in Restaurants, Tanzlokalen, Bars, Geschäften Kasinos etc.) als sie eigentlich möchten. Andererseits ist von den Gästen die Klage zu hören, dass vieles zu teuer sei oder aber sich verteuert habe (die neuen EU-Länder haben ja teilweise die Mehrwertsteuer kräftig hinaufgesetzt). Und natürlich gibt es auch das Problem der Kleinkriminalität, die man noch immer nicht wirklich im Griff hat.