Nach Katastrophenjahr kehrt Japans größter Autobauer an Weltspitze zurück.
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Amsterdam/Wien. Knapp ein Jahr nach Fukushima ist der japanische Autobauer Toyota wieder zurück an der Spitze des Weltmarktes - nicht zuletzt, weil sich die von der Konkurrenz lange belächelte Konzentration auf den Hybrid-Antrieb auch in der Praxis als Schlüsseltechnologie auf dem Weg zur Elektro-Mobilität erweist. Mit breiter Brust wollen die wiedererstarkten Japaner das auch am kommenden Wochenende in Le Mans beweisen: Erstmals soll ein Hybrid-Auto das legendäre 24-Stunden-Rennen gewinnen, dafür hat Toyota den zweifachen österreichischen Le-Mans-Sieger Alex Wurz engagiert und bringt extra in einem zweiten Wagen die ehemaligen Formel-1-Rennfahrer Sebastian Buemi und Anthony Davidson an den Start.
Mehr als vier Millionen Fahrzeuge mit einer Kombination aus Elektro- und Benzinmotor haben Toyota und seine Premium-Tochter Lexus schon auf die Straßen gebracht, der Prius ist inzwischen in Japan das meistverkaufte Automobil überhaupt und auch in anderen Märkten der Bestseller der Marke. Bemerkenswert: Von Sommer 2007, als die erste Hybrid-Million erreicht war, dauerte es bis zur Meldung von 3 Millionen Stück noch bis zum Frühjahr 2011; schon knapp ein Jahr später war die vierte Million erreicht.
Mit der starken Ausweitung des Modellangebots will man heuer den Absatz weiter ankurbeln: ein siebensitziger Van "Prius+" sowie ein Plug-in-Prius, dessen rein elektrische Reichweite auf 20 Kilometer steigt, weil seine Akkus auch an der Steckdose rasch aufgeladen werden können, kommen heuer ebenso auf den Markt, wie vor allem der erste Vollhybrid im Kleinwagen-B-Segment, der in Frankreich gebaute Yaris. Bis Jahresende sollte der Hybrid-Anteil an den gesamten Toyota-Verkäufen auch in Europa von 10 auf 15 Prozent gestiegen sein.
Auf ersten Testkilometern in und rund um Amsterdam konnten sich jüngst an die 800 europäische Fachjournalisten davon überzeugen, dass der neue kleine Hybrid seine Spritsparfähigkeiten gerade in urbanen Ballungsräumen besonders gut entfaltet: Die laut Werksangabe 3,5 Liter Durchschnittsverbrauch sind auch in der Praxis erreichbar - der zarte Gasfuß ist allein durch die Abstimmung der Getriebeautomatik quasi von vornherein mit eingebaut. Der nur mehr geringe Hybrid-Aufpreis gegenüber dem gleichen Modell mit Dieselmotor amortisiert sich nach 20.000 Kilometern, argumentiert Toyota - die teuren Voll-Elektro-Autos geraten damit noch weiter ins preisliche Abseits.
Toyota will Absatz heuer um gut ein Fünftel steigern
Toyota hatte die Opel-Mutter General Motors im vergangenen Jahr wegen der Erdbebenkatastrophe in der Heimat und der Flut in Thailand an sich vorbeiziehen lassen müssen und war in der Weltrangliste nach Verkäufen auf Rang drei hinter den Volkswagenkonzern zurückgefallen. Ein Jahr später strahlt der japanische Vorzeigekonzern in altem Glanz, weil das weltweit eng geknüpfte Produktionsnetz - auch in Europa laufen die Werke in fünf Ländern wieder auf Hochtouren - wieder reibungslos mit Teilen versorgt wird. Von Januar bis März schlug Toyota einschließlich der Töchter Daihatsu und Hino weltweit 2,48 Millionen Fahrzeuge los. Damit lagen die Japaner vor GM mit 2,28 Millionen Einheiten. Knapp dahinter folgte VW, der Konzern kam einschließlich der beiden Lkw-Bauer MAN und Scania auf 2,21 Millionen Fahrzeuge.
Heuer dürfte nach Ansicht von Branchenexperten keiner mehr Toyota vom Thron stürzen, den Rivalen General Motors und Volkswagen kommt Europas Schuldenkrise in die Quere. In den USA aber wächst der Markt - und dort ist Toyota wieder sehr stark, allein für Mai wurde jüngst ein Absatzplus von 85 Prozent gegenüber dem Vorjahr gemeldet. Auch m Heimatmarkt Japan wurden im Mai wieder um zwei Drittel mehr Autos verkauft als im Vorjahr. Und in den Tigerstaaten Südostasiens, deren Automärkte zuletzt zweistellig zulegten, ist und bleibt Toyota Platzhirsch.
2011 glänzte GM, gerade erst der Pleite entkommen, mit weltweit 9,0 Millionen Auslieferungen auf Platz eins, gefolgt von VW mit 8,27 Millionen. Abgeschlagen auf Rang drei zuckelte Toyota mit 7,95 Millionen Fahrzeugen hinterher. Im laufenden Jahr will Toyota mit einem gewaltigen Absatzsprung um gleich 20 Prozent an GM vorbeiziehen: Der US-Konzern wird dieses Jahr voraussichtlich knapp mehr als neun Millionen Wagen verkaufen, Toyota hat sich auf vergleichbarer Basis knapp 9,6 Millionen vorgenommen. VW will die Auslieferungen ebenfalls steigern, Experten trauen den Wolfsburgern ebenfalls zu, die 9-Millionen-Marke zu überklettern. Das für 2018 angepeilte Ziel, mit mehr als zehn Millionen verkauften Wagen an die Spitze der Weltrangliste zu klettern, bleibt aufrecht, auch wenn die angestrebte Allianz mit Suzuki scheitert, wonach es derzeit eher aussieht.
Schon 2013 könnten aber die Karten neu gemischt werden: In das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Toyota, GM und Volkswagen könnte bald die Allianz Renault/Nissan eingreifen, die mit der Übernahme des russischen Lada-Herstellers AvtoVAZ einen großen Sprung nach vorne machte. Und keinesfalls übersehen sollte man die schnell wachsende südkoreanische Hyundai/Kia-Gruppe, die im Jahr 2011 auf 6,6 Millionen Einheiten kam.