Mehr als 100.000 Motorradfreunde feiern den Mythos Harley Davidson jährlich in Kärnten. Doch die Kultmarke ist in der Krise.
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Faak. In Faak ist die Harley Davidson Welt noch in Ordnung. Als sich Anfang September die Motorrad-Parade mit 20.000 Bikern in Bewegung setzte, strahlte nicht nur die Sonne vom Himmel. "Die diesjährige European Bike Week hat unsere Erwartungen übertroffen", zieht Rudi Herzig zufrieden Bilanz. Der Pressesprecher von Harley Davidson aus Deutschland ist seit 1999 bei dem jährlichen Großevent dabei, sein österreichischer Kollege Günther Eder kennt die Veranstaltung ebenfalls aus den Anfangstagen: "Faak ist zu einem Synonym für die größte Biker-Party in Europa geworden und zählt mittlerweile zu den Top drei Events von Harley Davidson. Darüber gibt es nur noch die Daytona Bike Week und die Sturgis Rally in den USA. Sturgis hat erstmals 1938 stattgefunden - als Grillerei in einem Vorgarten mit 13 Besuchern."
Es sind solche Mythen, von denen die Marke Harley Davidson lebt. Bis heute zehrt die Company von den Legenden, die sich um die schweren Maschinen ranken - und mitunter auch um die schweren Jungs, die auf ihnen sitzen. Doch der Traum von den Weiten des Westens, Outlaw-Romantik und blitzendem Chrom hat in den vergangenen Jahren einige Kratzer abbekommen. Eher ungewollt geriet die Company im Frühsommer ins Rampenlicht, als sie zum prominentesten Opfer der Handelsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Union und US-Präsident Donald Trump wurde. Schon die von Trump verhängten Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium belasteten das Unternehmen, die Retourkutsche der EU traf es dann doppelt: Der Zollsatz auf die Motorräder stieg von sechs auf 31 Prozent, die Mehrkosten von geschätzt 100 Millionen Dollar will das Unternehmen vorläufig selber tragen.
Zollpolitik wirkt negativ
Zusätzliche Kosten von etwa 1900 Euro pro in die EU exportiertem Motorrad sind langfristig jedoch nicht verkraftbar, weshalb Produktionskapazitäten aus den USA in internationale Werke verlagert wurden. Das wiederum scheint US-Präsident Donald Trump persönlich getroffen zu haben, der auf Twitter gegen das Unternehmen wetterte.
"Die Forcierung der Motorradproduktion im Ausland, die die EU-Zollbelastungen verringert, ist nicht unsere Präferenz, doch es ist die einzige Möglichkeit, Kunden in der EU unsere Motorräder anzubieten und ein rentables Business in der EU aufrecht zu erhalten", hieß es darauf in einer offiziellen Erklärung.
Einbruch der Produktion
Denn eben dieses Business ist in den vergangenen Jahren weniger rentabel geworden. Die Firma mit Sitz in Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin gilt als wirtschaftlich angezählt. Ausgehend von 2006, dem verkaufsstärksten Jahr der Motor Company, sank die Zahl der verkauften Motorräder binnen vier Jahren von knapp 350.000 Einheiten um 40 Prozent auf 210.500 Stück. Zwar ging es in den folgenden vier Jahren wieder bergauf, doch seit 2014 sinkt der Absatz wieder: Für 2018 werden lediglich rund 232.000 verkaufte Motorräder erwartet. Ein Hauptproblem der Traditionsfirma war auch beim Treffen in Faak offensichtlich: Die Harley-Kundschaft besteht tendenziell aus älteren Männern, was für die beiden Sprecher eine logische Konsequenz ist: "Hochwertige Produkte haben ihren Preis, und Kunden, die diesen Preis bezahlen können, sind häufig in einer höheren Altersstufe."
E-Motorräder kommen
Doch da kein Unternehmen die Überalterung der eigenen Kundschaft ignorieren kann, hat Harley Davidson reagiert - und das in einer Art und Weise, die in der 115-jährigen Firmengeschichte beispiellos ist. Das beginnt mit der Kommunikation, denn bislang galt es ähnlich wie bei Apple als ehernes Gesetz, über bevorstehende Modelle und Neuigkeiten nicht im Vorfeld zu sprechen. Das ist nun anders: Eine der Innovationen ist das elektrische Motorrad "Live Wire", das bereits im August 2019 auf den Markt kommen soll. Die Hochvolt-Harley wurde bereits 2014 als Prototyp vorgestellt und auf Basis von Kundenwünschen weiterentwickelt. Der "Live Wire" sollen bis 2022 weitere Strom-Harleys folgen, darunter leichte, agile Zweiräder.
Ob die traditionsbewusste Harley-Kundschaft ein Modell akzeptieren wird, das eben nicht mehr blubbert und nach Benzin riecht, sondern allenfalls ein geladenes Sirren von sich gibt? Für sie wird es bis 2020 eine neue, modulare Plattform mit vier Hubraumgrößen (500 bis 1250 Kubik) in drei Kategorien geben - Enduro, Custom, Streetfighter.
Für Harley-Verhältnisse reichlich ungewohnt wirkt die für 2020 angekündigte Groß-Enduro "Pan America 1250", die optisch an ein amphibisches Kampffahrzeug erinnert und gegen starke Konkurrenz antreten muss. Im Segment der "Sport Adventure Bikes" heißen die Platzhirsche nämlich BMW, Honda oder Triumph. Ein sportlich agiler Streetfighter mit 975 Kubik soll ebenfalls schon 2020 an den Start gehen, darüber hinaus sind leichtere Modelle für die Märkte in Asien und Indien geplant.
Die beiden Sprecher Rudi Herzig und Günther Eder blicken den kommenden Umbrüchen jedenfalls gelassen entgegen: "Harley Davidson hat immer Innovationen gebracht, die aber irgendwann einmal ikonisch geworden sind. Deswegen stehen wir jetzt dort, wo wir sind. Wir ändern die Richtung nicht, aber wir erweitern die Angebotspalette", sagt Günther Eder.
Kein Werk in Kärnten geplant
Zwar wollte der Villacher Nationalratsabgeordnete Peter Weidinger (ÖVP) in einem Brief an Harley-Manager Matthew Levatich diesem Villach als Produktionsstandort schmackhaft machen, daraus wurde aber nichts. Zumindest das Harley-Treffen in Faak ist bis 2023 gesichert - und damit 200.000 Nächtigungen sowie eine Wertschöpfung von 20 Millionen Euro pro Jahr.
Laut Rudi Herzig soll das auch so bleiben: "Es heißt ja immer, man kauft bei Harley Davidson ein Lebensgefühl und bekommt ein Motorrad gratis dazu", meint er. "Nirgendwo sonst kann man dieses Lebensgefühl so intensiv erleben wie bei solchen Treffen."