Amtsinhaber Alexander Van der Bellen präsentierte sich als personifizierte Stabilität in unsicheren Zeiten, Ex-FPÖ- und BZÖ-Politiker Gerald Grosz gefällt sich als sein radikalster Gegner.
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Ungleicher können diese beiden Kandidaten um das höchste Amt im Staat kaum sein. Obwohl ihre politischen Laufbahnen formal betrachtet gar nicht so unterschiedlich verliefen. Der eine, Alexander Van der Bellen, ist jedoch seit 2017 Bundespräsident und strebt eine weitere Amtszeit an, der andere, Gerald Grosz, will nun ebenfalls in die Hofburg, und überhaupt soll in Österreich kein Stein auf dem anderen bleiben.
Van der Bellen stellte wenige Tage vor dem offiziellen Wahlkampfauftakt diesen Freitag die ersten vier Wahlplakate seiner Kampagne vor. 1.100 großflächige und 2.000 kleinere Plakate werden in ganz Österreich ausgerollt. Dazu kommen noch rund 20.000 Kleinflächenplakate. In einigen Wochen wird es dann noch eine zweite Plakatwelle geben.
"Vernunft und Stabilität in stürmischen Zeiten" steht auf einem der vier Sujets, "Mit Österreich spielt man nicht" auf einem anderen. "Aus ganzem Herzen Österreich" und "Zusammenhalt macht sicher" vervollständigen die erste Plakatwelle, mit der ab sofort in ganz Österreich gestartet wird. Van der Bellen habe sich laut seinem Pressesprecher auch nicht nehmen lassen, die Plakate selbst zu präsentieren. Das sei ihm ein Anliegen gewesen. Das Ziel der Kampagne ist, Van der Bellens Amtsverständnis aufzuzeigen und seine Qualitäten in den Vordergrund zu stellen. Er wird dabei als Ruhepol in stürmischen Zeiten inszeniert.
"Für mich steht Verantwortung und Pflicht an erster Stelle", sagte Van der Bellen. Er habe in seiner ersten Amtsperiode viel Erfahrung sammeln dürfen, wenn nicht geradezu müssen. Die Krisen würden sich derzeit summieren, die Klimakrise nicht wegen der Corona- oder Ukraine-Krise verschwinden.
Das Amt habe die Macht, "zusätzliches Chaos zu erzeugen", er habe aber immer versucht, "Ruhe und Gelassenheit auszustrahlen", meinte Van der Bellen, der seine Konkurrenten zwar nicht namentlich nannte, dafür aber mahnende Worte in ihre Richtung sprach. Er warnte davor, im Wahlkampf mit Themen wie Österreichs EU-Austritt zu spielen. Das sei schon 2016 probiert worden, bevor man bemerkt habe, dass die Österreicher die EU zwar gerne kritisieren, sie aber nicht verlassen wollen. "Mit Österreich und der europäischen Idee spielt man nicht. Wenn man das nicht spürt, dann bewirbt man sich für das falsche Amt", meinte Van der Bellen. Ein Bundespräsident habe zwar viele Privilegien, so der Amtsinhaber, man müsse sich mit ihnen aber zurückhalten.
Grosz will sofortige Neuwahlen
Während Van der Bellen das von Politikern oft genutzte Stadtpalais Schönburg zur Präsentation seiner Kampagne wählte, stellte sich Grosz auf den Gehsteig zwischen Hofburg und Kanzleramt, um von dort aus den Hausherren vor ihm und hinter ihm auszurichten, dass sie sich andere Betätigungsfelder werden suchen müssen, sollte er gewählt werden. "Der Ballhausplatz könnte erbeben", sagte Grosz.
Die Wahl am 9. Oktober wird von ihm zum "Tag der Volksabstimmung" umgedeutet. Während der blaue Kandidat, Walter Rosenkranz, die Bundesregierung vielleicht, vielleicht aber auch nicht entlassen will ("Wahrscheinlichkeit über 50 Prozent") und Tassilo Wallentin der Regierung zunächst Hausaufgaben geben möchte ("Konkrete Vorschläge zur Krisenbewältigung"), stellte Grosz klar, dass seine allererste Amtshandlung die Entlassung der Regierung und die Auflösung des Nationalrats sei. Das ließ er auch in einem Notariatsakt festhalten.
Sofortige Neuwahlen sind nicht das einzige Ziel von Grosz, der am Dienstag einen weiteren Notariatsakt aufsetzen wollte, in dem er verspricht, sich als Präsident an die "Spitze einer Bewegung für eine EU-Abstimmung" zu stellen: "Das Ziel ist der Austritt aus der EU", sagte Grosz. Als Staatsoberhaupt kann er eine solche Volksabstimmung allerdings nicht alleine verfügen, sondern nur formal anordnen, wenn es dafür im Nationalrat eine Mehrheit gibt.
Grosz inszeniert sich als radikale Abrissbirne des "Establishments", wie er sagte. Wobei es wohl Zufall war, dass seine Ausführungen vor der Hofburg von Baustellenlärm begleitet waren.
Schon als Mandatar der FPÖ und des BZÖ war der Steirer ein rhetorischer Scharfmacher ohne wahrnehmbare Scham- und Schmerzgrenze. Seit einigen Jahren veröffentlicht er auf Youtube regelmäßig wütende Kommentare, aber auch skurrile Videos, wie etwa eine morgendliche Arie in der Dusche. Auch dank seiner Streit- und Schreiduelle auf oe24, zunächst mit PR-Mann Rudi Fussi, nun mit dem Tierschützer Sebastian Bohrn-Mena, hat Grosz eine offenkundig verwertbare Eigenmarke geschaffen, die er nun auf die Probe einer bundesweiten Wahlauseinandersetzung stellt.
Zum Amtsinhaber stellt sich Grosz in jeder Hinsicht diametral, inhaltlich, stilistisch und rhetorisch. Obwohl er dann doch wiederum keine Unterschiede zu Van der Bellen ausmachen will: Wie der Präsident sei auch er Gemeinderat, Nationalrat und Parteichef gewesen. "Er war halt Professor und ich Unternehmer."