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Tragischer Tod im Supermarkt

Von Tanja Windbüchler

Gastkommentare

Der 5. August 2009 war sicher der schwärzeste Tag im Leben von Florian P. und Roland T. Für den 17-Jährigen endete der nächtliche Einbruch in einem Kremser Supermarkt mit zwei durchschossenen Oberschenkeln, Florian wurde gerade einmal 14 Jahre alt. Ein saublöder Einbruch, eine auf dramatische Weise entgleiste Polizeiaktion. Die Trauerveranstaltung geriet zur Demonstration jener, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind.


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Unerträglich war der Umgang mit dem Ereignis. Wer waren die Schussopfer? "Amtsbekannt", so die Antwort des Staatsanwaltes. "Jugendliches Gesindel" war wohl die häufigste Übersetzung dieser Chiffre. Die Rollen sind damit verteilt. Da ist es logisch, den verletzten minderjährigen Tatverdächtigen gleich in U-Haft zu stecken. "Tatbegehungsgefahr" hieß es zuerst. "Verdunkelungsgefahr" wurde als Begründung nachgeschoben. FPÖ-Chef Strache meinte im Gastkommentar (Die Betroffenheit hat wieder Saison 14. August), der Polizei sei nichts vorzuwerfen. Bei den beiden Polizisten bestand keine "Verdunkelungs-" oder "Tatbegehungsgefahr", sie waren traumatisiert, konnten erst Tage später einvernommen werden. Dermaßen Traumatisierte stimmen ihre Aussagen nicht ab, hieß das wohl.

Vertrauen und Transparenz schafft dieses Krisenmanagement, auch im Sinne der Polizei, nicht. Wäre Florian P.s Tod vermeidbar gewesen? Die Anständigen in Niederösterreich wissen, dass jemand, der etwas anstellt, eben auch mit dem Schlimmsten rechnen muss.

Jene, die die sozialen Hintergründe der beiden Burschen auszuleuchten versuchen, werden rasch zurückgepfiffen. Soziale Missstände sind kein Thema. Stattdessen beherrscht CSI das Programm: Einschusswinkel, Schmauchspuren, Sichtverhältnisse sind die zentralen Begriffe, die natürlich geklärt werden müssen. Rasch und lückenlos! Aber genauso rasch muss der politische Diskurs darüber beginnen, welche Mittel gerade die Jugendarbeit braucht, um Jugendlichen positive Perspektiven zu vermitteln und Kriminalität weitgehend zu verhindern. Alles andere wäre für die Florian P.s und Roland T.s ein Drama.

Die Gutachten bestätigen die Aussage des überlebenden Roland T., der stets betonte, er und Florian P. seien nicht auf die Polizei losgegangen. Fakt ist: Der tödliche Schuss wurde nicht in Notwehr abgefeuert. Florian wurde in einem hellbeleuchteten Supermarkt ohne Waffe aus einer Entfernung von etwa zwei Metern erschossen. Dem "amtsbekannten" Roland T. wurde jede Chance auf Richtigkeit seiner Erklärung öffentlich streitig gemacht. Er wurde stigmatisiert und eingesperrt.

Was läuft im System so schief, dass man Jugendlichen nicht glaubt? Das muss sich die FPÖ fragen und ihre verbale Selbstjustiz stoppen. Auch das Landeskriminalamt, das Konsequenzen ziehen muss. Und die ÖVP Niederösterreich, die im "Kinderösterreich" versagt hat und Jugendliche per se einfach ins kriminelle Eck stellt, ohne zu überlegen, welche Rahmenbedingungen und Perspektiven junge Menschen brauchen.

Tanja Windbüchler-Souschill ist Jugendsprecherin der Grünen.