Amokfahrer starb nach Auto-Anschlag auf Königin Beatrix. | Motiv wird wohl unbekannt bleiben. | Amsterdam/Apeldoorn. Mit schwerem Kopf erwachen, das ist in den Niederlanden Tradition am 1. Mai. Die Marathon-Party zum "Koninginnedag" fordert ihren Tribut. Überall sind die Spuren des überschwänglichen Nationalfeiertags zu sehen. Auf Plätzen und an Häusern hängen noch orange Dekorationen, und die Reinigungsdienste befreien die Straßen von tonnenweisem Abfall.
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Heuer jedoch dauert der Kater länger an, und die Spuren sind nicht mit Besen und Hochdruckstrahler zu beseitigen: Nach dem versuchten Anschlag auf die Königsfamilie, bei dem sechs Passanten sowie der Attentäter selbst starben und elf verletzt wurden, wird die fröhliche Folklore nie mehr die selbe sein. Apeldoorn, eine Provinzstadt im Osten des Landes, hat sich auf blutige Weise einen Namen gemacht.
Ziel war Königsfamilie
"Was als prächtiger Tag begann, endete als furchtbares Drama, das uns alle sehr tief geschockt hat. Wir sind sprachlos, dass etwas so schreckliches passieren konnte", sagte Königin Beatrix am Nachmittag mit stockender Stimme in einer Fernsehansprache.
Am Abend bestätigte die Staatsanwaltschaft, was bereits nach der Tat zu Mittag als sicher galt: Das Ziel des schwarzen Suzuki, der sich in halsbrecherischer Fahrt seinen Weg durch die kreischende Menge bahnte, war tatsächlich der offene Bus der Königsfamilie. Polizeiangaben zufolge hatte er zuvor zwei Absperrungen durchbrochen. Eine Schneise des Schreckens schlug der Fahrer in die Menge, die sich zu den offiziellen Feierlichkeiten an der Paradestrecke drängten. Die Amokfahrt endete an einer Säule. Das ungläubige Entsetzen auf den Gesichtern von Königin und Thronfolgerpaar läuft seitdem in Dauerrotation in sämtlichen Nachrichtensendungen.
Täter war unauffällig
Verpufft ist nun auch die Hoffnung, wenigstens Klarheit über die Hintergründe des Attentats zu bekommen. Der Täter, der 38-jährige Karst T. aus der Kleinstadt Huissen nahe Apeldoorn, erlag in der Nacht zu Freitag seinen schweren Verletzungen. In seiner Wohnung konnte die Polizei keinerlei Hinweise auf das Attentat finden. Nachbarn beschrieben T. als zurückgezogenen, stillen Sonderling. Sein Vermieter berichtete, er habe vor kurzem seinen Job verloren und daher seine Miete nicht mehr bezahlen können. Der Justiz war er zuvor nicht bekannt.
Gefährliche Volksnähe
Schwerer als die unbeantworteten Fragen wiegt jedoch der Schock über den Angriff auf das Staatsoberhaupt, der symbolischer nicht hätte sein können als just am "Koninginnedag". Der Nationalfeiertag, 1949 zum Geburtstag der damaligen Königin Wilhelmina eingeführt, gilt nicht nur eingefleischten Anhängern der Monarchie als ausgelassenste Feier des Jahres.
Die königliche Familie präsentiert sich dann volksnah wie sonst nie - auch räumlich gesehen. Mitten durch tausende Schaulustige zog sich auch diesmal die Parade, die Oranjes schüttelten zahlreiche Hände. Damit dürfte es nun vorbei sein. "In Apeldoorn ist eine nationale Illusion zerbrochen" titelte "Volkskrant" am Tag danach.
Der Frieden täuschte
Auch das lange Zeit gehegte Image der Niederlande als friedliche und freundliche Gesellschaft hat einen vielleicht letzten tiefen Kratzer bekommen. Es braucht ohnehin nicht viel, um die Schatten der jüngsten Vergangenheit herauf zu beschwören: Nach den politischen Morden an Pim Fortuyn 2002 und Theo van Gogh 2004 ist das soziale Klima leicht entflammbar.
Obwohl über das Motiv so gut wie nichts bekannt ist, passt das Attentat auf Königin Beatrix und ihre Familie eigentlich nicht in diese Reihe. Doch ist es gerade die Symbolik, die schwer wiegt: Gerade der "Koninginnedag" gilt nicht nur bei Besuchern aus aller Welt, sondern auch vielen Niederländern als Relikt aus der guten, unbeschwerten Zeit. 2009 hat auch er seine Unschuld verloren.