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Seit November bereitet man sich schon auf den Protest gegen den Ball vor.
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Wien. Gerädert sieht Lukas B. aus, während er müde an seiner Melange nippt. Knapp hat er noch Zeit gefunden für ein Treffen. Alles muss schnell gehen an diesem Vormittag, zwei Tage vor dem großen Showdown läutet das Pressehandy seiner Organisation "NoWKR" ununterbrochen. Seine Kollegin Anna S. raucht neben ihm Kette. Stündlich müssen die beiden zu neuen Pressetreffen, der Andrang ist groß. Neben Flyer schneiden, Transparente malen und Pressemappen erstellen, bleibt den beiden Aktivisten wenig Zeit zum Schlafen. Seit November sind die Studenten im Dauereinsatz. Ihre Fotos möchten sie lieber nicht abdrucken lassen - ungern erinnert man sich an die Übergriffe von Neonazis auf das linke Kulturzentrum Ernst Kirchweger Haus (EKH) Ende Oktober.
Wie jedes Jahr Ende Jänner brodelt es in der politischen Szene. Der diesjährige Akademikerball, vormals WKR-Ball, steht bevor. Während sich in der Wiener Hofburg am 24. Jänner das Vernetzungstreffen der Rechten abspielen wird, planen linke Gruppen seit Wochen Protestaktionen und Demos. Eines haben beide gemeinsam. Die Veranstaltungen rund um den Ball werden seit Jahren als aktives Kräftemessen der politischen Lager gesehen. Mit heftigen Wortgefechten, Platzverboten auf der Seite der Rechten sowie einer immer größer werdenden Demogemeinschaft auf der anderen Seite.
Ganz nach dem bewährten Motto "Treffen sich zwei Linke, spalten sie sich" sind in diesem Jahr drei Hauptinitiativen am linken Gegenprotest beteiligt. Sie gehen von den Bündnissen "Offensive gegen Rechts", der Plattform "NoWKR" und "Jetzt Zeichen setzen" aus. Allen voran organisierte das übergreifende Kollektiv zum "WTF?!-Ball" am 17. Jänner die gleichnamige Veranstaltung im Wiener Partyhotspot Fluc.
Bewusste Störung
Lukas und Anna sind beide Anfang zwanzig und seit 2009 für das Bündnis "NoWKR" tätig. Im Spektrum der Proteste gegen den Akademikerball gilt "NoWKR" als das Zugpferd der linken Szene. Laut den Homepagetexten will man den Akademikerball "bewusst stören". Mit ihrer Demoparole: "Unseren Hass könnt ihr haben", hat "NoWKR" insbesondere das FPÖ-Lager provoziert, dieses sieht in dem Spruch einen direkten Aufruf zur Gewalt. Die Kritik können die beiden Studierenden zwar nachvollziehen, ihr Motto würde aber seitens der FPÖ bewusst als Affront missverstanden werden. "Der Titel soll polarisieren und zur Diskussion auffordern. Er ist bestimmt nicht als Aufruf zur Gewalt zu verstehen", betont Lukas B.
Die Aufregung um die Gewaltaufrufe und Eskalationen im Lager der Linken kann Niki Kunrath, Sprecher des Bündnisses "Jetzt Zeichen setzen" auch nicht nachvollziehen. "Hier handelt es sich um eine Umkehr der Täter-Opfer-Rolle", betont der Mitarbeiter im Rathausklub der Wiener Grünen. Das Bündnis, das sich unter anderem aus Akteuren der Zivilgesellschaft, den Parteien SPÖ und den Grünen sowie der Israelitischen Kultusgemeinde zusammensetzt, plante für den 24. Jänner eine Kundgebung am Heldenplatz. Zusammen mit Holocaust-Überlebenden wollte man wie im vergangenen Jahr auch, "absolut friedlich" des Antifaschismus gedenken, so Kunrath. Durch ein erweitertes Platzverbot wurde die Veranstaltung jedoch behördlich untersagt, ein gemeinsamer Brief von Holocaust-Überlebenden blieb größtenteils unbeantwortet.
Jeglicher Form von Eskalation möchte auch die "Offensive gegen Rechts" entsagen. Der Zusammenschluss formiert sich vor allem im kommunistisch-sozialistischen Studentenumfeld. Hier setzt man auf passiven Widerstand. Mit Sitzblockaden will man die in Richtung Hofburg einfahrenden Wägen der Burschenschafter blockieren. Mit Betonung auf friedlich und deeskalativ erklärt man sich grundsätzlich mit allen antifaschistischen Initiativen solidarisch. Das richtige Verhalten wurde bereits am Wochenende in sogenannten "Blockade-Workshops" trainiert: Wie man sich beim Partner unterhakt, wie man möglichst eng beieinander sitzt und es der Polizei schwer macht entfernt zu werden. Widerstand ja, aber nur passiv.
Beobachtet man die Protestvorbereitungen der Linken, so fällt in erster Linie ihr breites Bündnis auf. Während es auf der Seite des rechten Lagers zunehmend Verbote und Einschränkungen für die Protestaktionen hagelt, setzt man links der Mitte auf Gedenk- und Diskussionsveranstaltungen von immer breiter werdenden Allianzen. Heuer sollen erstmals auch Nachbereitungsaktionen im Rahmen eines internationalen Workshoptags stattfinden - insbesondere im Hinblick auf die bevorstehenden EU-Wahlen.
Rechtsauskunft per Telefon
Für das sogenannte Rechtshilfe-Kollektiv, geht die Arbeit erst mit der Nachbereitung überhaupt los. Die Gruppe an Jung-Juristen erteilt Rechtsauskunft in Telefondiensten während der Demonstrationen und gilt als wichtige Anlaufstelle für die Protestteilnehmer, falls es mal zu Zusammenstößen mit der Polizei kommt. Sie ist es auch, welche die Aktivisten im Vorfeld mit Gesetzeskunde und auch rechtlichen Konsequenzen aufklärt.
Offenbar mit Erfolg. Die meisten Anzeigen, die im Rahmen der NoWKR Proteste in den vergangenen Jahren stattfanden, wurden wieder fallen gelassen, erklärt Anna. "Über Verhaftungen und Übergriffe wird gerne berichtet - nur die Freisprüche und Richtigstellungen bleiben meist undokumentiert." Im Gegensatz zu den schwindenden Besucherzahlen am Akademikerball scheint es, als würden sich die Proteste immer mehr zu einem Vernetzungstreffen der Linken entwickeln. "Vielleicht wird es eines Tages der Linken wichtiger sein an diesem Tag auf die Straße zu gehen, als den Burschenschaftern ihren Ball abzuhalten", so Lukas, "Dann hätten wir alle weniger zu tun."