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Neben neuen Quartieren braucht es nun vor allem eine Deeskalationsstrategie.
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Die Geschosse waren nur aus Plastik, die Täter schossen nur zufällig auf sieben Asylwerber, weil es davor schon andere Opfer der Soft-Gun-Attacken gab. So die offizielle Version am Tag nach der irren Tat in Wiener Neustadt. Hoffentlich nicht nur eine Beruhigungspille. Noch ist nicht auszuschließen, dass die aufgeheizte Stimmung die Täter erst auf neue Opfer brachte. Und nun stellen wir uns scharfe Schüsse vor - auf Menschen, die vor dem Krieg flüchten, um in Österreich auf offener Straße gekillt zu werden. Spätestens seit Donnerstag sollte allen Politikern klar sein, dass es eine neue Strategie gegen die Eskalationsspirale braucht. Die dreht sich mit dem Epizentrum Traiskirchen immer schneller. Je mehr junge Männer dort bei Gluthitze zusammengepfercht sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder eskaliert. Lange war es erstaunlich ruhig.
Donnerstagabend ging das Fass dann über und mündete in einer Massenschlägerei entlang ethnischer Grenzen. Die Bilder davon sind Brandbeschleuniger, weil sie alle Vorurteile befeuern und der Internet-Meute, die gegen Flüchtlinge hetzt, neues Futter liefert. Dazu kommt der mit Steuergeldern fürstlich alimentierte Boulevard, der das "Asyl-Chaos" verlässlich Tag für Tag abbildet wie "Heute" oder "Österreich" oder noch extra befeuert wie die "Kronen Zeitung" - mit Headlines wie "Asylanten bewerfen Polizisten mit Essen" oder "Flüchtlinge als IS-Terroristen getarnt". Wir geben ja nur die Realität wieder, sagt man als Zeitung und kassiert weiter, wohl wissend, dass Flüchtlinge keine homogene Gruppe sind. Aber genau durch solche Berichte werden sie dazu gemacht. "Asylwerber lassen IS-Köder auffliegen", wäre genauso richtig gewesen. Man hätte als Chefredakteur auch darauf verzichten können, eine Kurzschlusshandlung von ein paar Asylwerbern ("bewerfen Polizisten mit Essen") der Meute zum Fraß vorzuwerfen. Zu "den Asylanten" werden Flüchtlinge aus aller Herren Länder, egal ob Kind, Frau, Schuhputzer, Professorin, durch solche Berichte und durch Traiskirchen, das den Medien Nachschub liefert. Traiskirchen gehört entschärft.
Die Skepsis gegenüber Flüchtlingen sinkt durch den direkten Kontakt, während die anonyme Bedrohung sich in brennenden Asylheimen oder direkten Übergriffen entladen kann. Neben Containern, Wohnungen, Großquartieren braucht es nun klare Worte des Präsidenten, des beliebten Integrationsministers oder des Kanzlers - und das täglich, nicht nur vom Festspiel-Rednerpult aus. Diese mediale Gegenstrategie zur Abkühlung bleibt aus. Wir wünschen einen lauschigen Sommer.