Trump bemüht sich um Schadensbegrenzung. Die Demokraten hoffen auf die nächste Testwahl.
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Washington.Am Ende kam er so sicher wie das Amen im Gebet: der frühmorgendliche Tweet, mit dem US-Präsident Donald Trump auf den Auftritt des von ihm entlassenen FBI-Chefs James Comey im Senat reagierte. Für seine Verhältnisse fiel er nahezu zahm aus: "Trotz so vieler falscher Statements und Lügen totale und komplette Bestätigung. . . und WOW, Comey ist ein Informant!"
Eine angesichts des tags zuvor Geschehenen hochgradig fragwürdige Behauptung - der ehemalige Chef der Bundespolizei hatte den Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte vor den Augen der Weltöffentlichkeit einen Lügner genannt - aber nichtsdestoweniger effektiv, was den eigenen Anhang angeht. Am Tag nach dem "C-Day", wie manche Republikaner den Tag der Anhörung Comeys vor dem Geheimdienstausschuss der zweiten Kongresskammer intern nannten, bemühten sie sich geschlossen um Schadensbegrenzung.
Was ihnen leichter fiel als zuvor angenommen. Auch wenn Comeys Aussagen, dass ihn Trump mit so ungebührlichen wie amateurhaften Methoden unter Druck setzen wollte, die Ermittlungen über die Verbindungen von Mitgliedern seines Wahlkampfteams zu Russland einzustellen, Bände über die Amtsauffassung und -eignung des Ex-Reality-TV-Stars sprachen, herrschte im konservativen Lager vor allem Erleichterung.
Am Freitag sagte Trump dann noch dezidiert, er habe Comey kein Loyalitätsversprechen abgenommen, anders als dieser behaupte. Auch habe er Comey nicht gebeten, Ermittlungen des FBI gegen den früheren nationalen Sicherheitsberater Mike Flynn einzustellen.
Nachdem sich auch seine Parteifreunde der völligen Unberechenbarkeit Trumps gewahr sind, hatten viele von ihnen befürchtet, dass Comey noch mehr im Köcher haben würde als das, was er den Senatoren am Donnerstag zuerst öffentlich und dann hinter verschlossenen Türen erzählte. Diese Befürchtungen erwiesen sich insofern als unbegründet, als der Standard, an dem Trumps Amtsführung gemessen wird, mittlerweile derart tief liegt, dass Trump wirklich nur im Extremfall etwas zu befürchten hat. Sprich, wenn er James Comey zum Beispiel nicht unter vier Augen gesagt hätte, dass er "hoffe", dass der die Ermittlungen gegen den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn einstellt, sondern es ihm unmissverständlich befohlen hätte.
Posse um JustizministerJeff Sessions
So blieb als eine der wenigen faktischen Neuigkeiten eine an und für sich ernste, aber angesichts der handelnden Protagonisten nur schwer ernstzunehmende Posse um Justizminister Jeff Sessions. Der hatte schon einmal unter Eid ausgesagt, während des Wahlkampfs keinen Kontakt zu russischen Offiziellen gepflegt zu haben; was sich im Nachhinein als Lüge erwies, nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich Sessions zweimal mit Russlands Botschafter Sergej Kislyak getroffen hatte.
Wie aus der nicht-öffentlichen Senats-Anhörung Comeys durchsickerte, soll es trotz bisher gegenteilig lautender Aussagen des Weißen Hauses zu einem dritten Treffen der beiden gekommen sein. Inhalt: unbekannt.
In Folge all dessen bemühen sich Trumps Gefolgsleute im Kongress jetzt nach Kräften, die Sache abzuhaken und/oder sie in einem derartigen Licht darzustellen, dass sie vielleicht nichts mit jeglicher Form von objektiver Wahrheit zu tun hat, aber zumindest die konservative Basis beruhigt. Während Washington gebannt auf Comeys Anhörung starrte, nutzten Senats-Mehrheitsführer Mitch McConnell und Paul Ryan, der Sprecher des Abgeordnetenhauses, die Gelegenheit, um die Abschaffung von "Obamacare" und die Aufhebung von Bankenregularien voranzutreiben.
Eine mittelfristige politische Überlebensstrategie, nachdem seit der Einsetzung des Sonderermittlers und Comey-Vorgängers als FBI-Chef Robert Mueller mindestens fürs nächste Jahr dafür gesorgt ist, dass das Thema Russland nicht vom Tisch kommen wird. Wie Comey im Rahmen seiner Aussage bestätigte, hat er Mueller bereits alle relevanten Dokumente, die ihn betreffen, zur Verfügung gestellt.
Richtungsweisendeund kostspielige Wahl
Der erste wirkliche politische Test, inwieweit sich die Trump’schen Aussetzer kurzfristig im Wahlverhalten niederschlagen, findet bereits in ein paar Tagen statt. Am 20. Juni wählt der Wahlbezirk Georgia-6, der einst konservative Schwergewichte wie Newt Gingrich nach Washington entsandte, einen neuen Abgeordneten fürs Repräsentantenhaus. Der Georgia-6, der sich über die wohlhabenderen Vororte von Atlanta erstreckt, gilt an und für sich als republikanische Bastion. Laut den letzten Umfragen liegt der von dort stammende demokratische Kandidat Jon Ossoff trotzdem zwischen zwei und sechs Prozentpunkte vor seiner konservativen Widersacherin Karen Handel.
Letztere bemüht sich heute um Abgrenzung von Trump. Das Rennen gilt bereits jetzt als der teuerste Kampf um einen Sitz im Abgeordnetenhaus, den es in der US-Geschichte je gegeben hat. Ein angesichts der besonderen Situation in diesem Zusammenhang gern übersehener Aspekt: Wie Georgia-6 wählt, verspricht auch Konsequenzen für die Demokraten zu zeitigen.
Ossoff, wiewohl mit 30 jung an Jahren, ist kein "Berniecrat", kein Anhänger von Bernie Sanders, sondern entspricht eher dem Bild eines traditionellen Vertreters des alten liberalen Establishments, der versucht, Unabhängige und jenen kleinen Rest an Konservativen anzusprechen, die dem populistischen Lockruf von Donald Trump noch nicht völlig erlegen sind.