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Transferkonto im Kreuzfeuer

Von Brigitte Pechar

Politik

Wifo-Chef Aiginger gegen Ausgabenkürzungen, die Niedrigverdiener belasten. | Marin gegen Arbeitnehmer- bashing-Konto. | Wien. Die Parteien denken bereits jetzt darüber nach, wie der durch die Krise hochverschuldete Staatshaushalt wieder konsolidiert werden kann. Die Frage ist nun, wer welchen Beitrag dazu leisten soll. Unter dem Titel "Verteilungsgerechtigkeit - Österreich auf dem Prüfstand" hat die Arbeiterkammer am Montag dieses Thema aufgegriffen und dort eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts von Alois Guger präsentiert. Thema am Rande war auch das von Finanzminister Josef Pröll vorgeschlagene Transferkonto.


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Kurz gefasst wird in der Wifo-Studie festgestellt, dass die Einnahmenseite, also das Steuersystem, einen sehr geringen Beitrag zur Umverteilung in Österreich leistet. "Umverteilung wird in Österreich im Wesentlichen durch die Staatsausgaben gemacht", sagt Guger.

Die Markteinkommen im untersten Haushaltsdezil (nur unselbständige Haushalte wurden in der Studie berücksichtigt) sind von 1983 bis 2005 gesunken. Die zunehmende Ungleichheit in den Markteinkommen sei aber nicht überraschend und setze sich als Trend aus den USA auch in Europa fort. Allerdings, so zeigt die neue Studie, hat die Umverteilung in den vergangenen 15 Jahren deutlich zugenommen, was im Wesentlichen am Kinder- und Pflegegeld liegt. So fallen drei Viertel der Familienleistungen in die unteren zwei Drittel der Haushalte. 90 Prozent des Arbeitslosengeldes, der Sozialhilfe und der Notstandshilfe kommen dem untersten Haushaltsdrittel zu Gute. Wesentlich sind vor allem auch "reale Transfers" wie Schulen, Kindergärten, das Gesundheitssystem.

Konjunktur nicht durch mehr Steuern abwürgen

Alle Prognosen zeigen, dass bei der Arbeitslosigkeit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist und mit einer Zunahme auch noch im 2010 gerechnet werden muss. Die Wirtschaftsentwicklung zeigt zwar schon erste Signale einer Erholung, man dürfe das "zarte Pflänzchen" aber nicht durch eine Steuererhöhung im Keim ersticken, sagte der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts, Karl Aiginger, zur "Wiener Zeitung". Da eine Erhöhung der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer) niedrige Einkommen stärker belastet, rät etwa Guger davon ab. Auch Aiginger gibt zu bedenken, dass man bei einer Reform vorsichtig sein müsse und es zu keinen Ausgabenkürzungen kommen dürfe, von denen niedrige Einkommen betroffen sind. So warnt er etwa davor, das Pflegegeld zu kürzen oder Selbstbehalte für untere Einkommensbezieher einzuführen. Sehr wohl könne man aber höhere Selbstbehalte für Besserverdiener diskutieren. Auch die Schulen und Kindergärten sollten vom Staat bezahlt werden, reden könne man aber über Studiengebühren. Dasselbe gilt auch in der Debatte um die Pensionserhöhung: Man sollte überlegen, für Niedrigpensionisten eine Erhöhung um 1,9 Prozent vorzusehen, für die oberen Pensionsbezieher dafür nur um 1 Prozent zu erhöhen. Was im Durchschnitt die angepeilten 1,5 Prozent ergeben würde.

Experten: Transferkonto auch für Wirtschaft

Aiginger rät, bei einer großen Steuerreform die Sozialversicherung in die Steuer zu integrieren. Und falls man dann über einen Steuersatz von 50 Prozent käme, eben eine dritte Steuer - etwa eine Energiesteuer - hineinzunehmen. Aufgegeben habe er schon, nach einer Reform der Grundsteuer zu rufen, dafür gebe es keine Befürworter.

Sehr skeptisch gegenüber einem Transferkonto ist AK-Präsident Herbert Tumpel. "Sozialleistungen sind kein Luxus." Nach den Rettungspaketen für Banken und Unternehmen müssten sich auch die Menschen auf den Sozialstaat verlassen können. Keinesfalls dürften Sozialleistungen gekürzt werden. Tumpel forderte im Gegenteil, das Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe zu erhöhen. Außerdem sollten Kapital und Vermögen höher besteuert werden. Die Steuern auf Vermögen betragen in Österreich 1,4 Prozent der Gesamtabgaben, jene der EU-15 aber 5,6 Prozent.

Sozialexperte Bernd Marin meinte, ein Transferkonto mache "nur Sinn, wenn alles eingerechnet wird". Damit meine er alle landwirtschaftlichen Förderungen, alle Steuerbegünstigungen, alle Wirtschaftsförderungen. Er sei für Transparenz, aber gegen ein "Arbeitnehmer-bashing-Konto". In diesem Zusammenhang erinnerte Marin an das von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel geforderte Pensionskonto. Das komme nicht zustande, weil vor allem die Politiker kein Interesse daran hätten. Da würde nämlich gezeigt werden, dass Alt-Politiker-Pensionen nur einen sehr geringen Deckungsgrad (etwa 15 Prozent) hätten, wohingegen der Deckungsgrad bei ASVG-Pensionen bei fast 90 Prozent liege.

Wirtschaftsforscher Guger hat nichts gegen ein Transferkonto. Das würde transparenter machen, was jeder bekomme - wie beim Leistungsnachweis der Krankenkassen. Allerdings ist auch er dafür, Unternehmen und Landwirtschaft einzubeziehen.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl kann sich für Betriebe eine Offenlegung der Förderungen vorstellen - "wenn es Sinn macht". Leitl würde sogar noch einen Schritt weiter gehen, indem er die Auszahlung der Sozialleistungen vom Steuersystem trennen und über ein eigenes Transferkonto an die Empfänger leiten will. Leitl verspricht sich davon eine Vereinfachung des Steuersystems.