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Wenn es noch eines Belegs bedurft hätte, wie verrückt das Transferwesen mittlerweile geworden ist, lieferte ihn dieser Tage die Posse um den brasilianischen Stürmer Malcolm. Da heißt es zuerst, sein Verein Girondins Bordeaux sei in intensiven Verhandlungen mit Everton, dann vermelden die Franzosen und die AS Roma, man hätte sich doch auf einen Wechsel in die italienische Hauptstadt gemeldet, wohin sich Malcolm nun zwecks medizinischen Tests begebe. Roma-Fans wiederum streben zum Flughafen, um den vermeintlichen neuen Superstar zu empfangen. Sie müssen unverrichteter Dinge wieder umdrehen - Girondins storniert den Flug Malcolms, weil ein besseres Angebot des FC Barcelona eingegangen sei. Auf die kolportierten 32 Millionen Euro, die Roma zahlen will, legen die Katalanen noch einmal knapp zehn drauf - und schon ist der Brasilianer weder ein Girondins-, noch ein Everton- oder Roma-, sondern ein Barcelona-Spieler. Wie die Roma den FC Barcelona im Frühjahr im Viertelfinale der Champions League aus dem Bewerb gekickt hat, so haben nun die Spanier die Italiener auf der Zielgerade überholt. Ein spätes Revanchefoul? Mag sein. Vielleicht sieht man in dem 21-Jährigen, der dribbelstark, schnell und schussgewaltig ist, aber auch tatsächlich die Zukunft. Dass man den Römern den Spieler quasi vor der Nase weggeschnappt hat, ist legitim - dass man aber stets auf die besonderen moralischen Ansprüche pocht, scheinheilig. Man denke nur an das Gejammere vor einem Jahr, als Neymar den Klub lange hingehalten hatte, ehe er sich für Paris entschied. Wirklich glaubwürdig war das Wehklagen über Neymars Verhalten, dem sie Vertrauens- (und Vertrags-)bruch vorgeworfen hatten, ohnehin damals schon nicht. Schließlich hatte man selbst zur gleichen Zeit derart heftig um Ousmane Dembélé gebuhlt, dass dieser seinen Wechsel von Dortmund zu den Katalanen mit einem Trainingsboykott erzwungen hatte. Nun hat Dembélé, der Barcelona mehr als 100 Millionen Euro wert war, am rechten Flügel ernsthafte Konkurrenz - und Barcelona den Stempel, wirklich més que un club zu sein, wie es im Vereinsslogan heißt. Allerdings in anderer Hinsicht als von der Marketing-Abteilung erdacht. Denn mehr als ein Klub ist Bara halt auch nur ein Unternehmen. Und die Tricks sind nicht anders als bei jenen, über die man sich gerne erhebt.