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Transparenz als Nagelprobe der Grünen

Von Martina Madner

Politik

Statt über eine Koalition mit der ÖVP will Werner Kogler vorerst über Parteifinanzen und Korruptionsbekämpfung reden.


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Grünen-Chef Werner Kogler hat einen "riesen, riesen Auftrag", sagt er am Tag nach einem grünen Parteivorstandstreffen. Genau genommen ist es nicht ein Auftrag, sondern gleich mehrere - und die kommen auch nicht alleine aus dem grünen Gremium.

Es ist der Auftrag von 13,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler der Grünen. Es ist jener, einen Klimaschutzplan zu erstellen, der von Nichtregierungsorganisationen, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft kommt, deren "Gesicht, verlängerter Arm, Spielbein die Grünen im Parlament sein wollen". Es ist der Auftrag, die Partei von "einer breiten Bewegung zu einer Volkspartei im politologischen Sinn zu machen".

Außerdem gibt es den Auftrag, Kinderarmut zurückzudrängen; jenen aus Europa, Österreich, "beispielgebend, vorbildhaft" in Sachen Umwelttechnologie voranzuschreiten; den, die Rolle des Parlaments als "größten Thinktank" neu zu definieren; jenen, der voraussichtlich 26 neuen grünen Nationalratsabgeordneten, für die es einen Parlamentsklub aufzubauen gilt. Eigentlich auch jenen, Gespräche mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz über die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung der Grünen zu führen, wobei Kogler da erst einen Anruf Anfang nächster Woche erwartet; und den Auftrag, ein Verhandlungsteam dafür zu erstellen: "Ich habe die Vollmacht, ein Sondierungsteam selber auszuwählen."

Der Berg an Arbeit, den es abzuarbeiten gilt , ist also so riesig wie der Auftrag. Als Erstes will sich Kogler einer scheinbar klar umrissenen Problematik widmen: "Alle haben im Wahlkampf in Sachen Transparenz, Parteienfinanzierung und Korruptionsbekämpfung die strengsten und besten Regeln gefordert. Diese Chance sollten wir nutzen", sagt er. Sein Vorschlag: Eine Gruppe aus Experten soll eine Punktation erarbeiten, sodass das Parlament schon kurz nach der Konstituierung am 23. Oktober neue Gesetze schaffen kann. Seine Transparenzinitiative sei zwar keine Koalitionsbedingung, wohl aber eine "Nagelprobe, ob alle zu ihren Versprechen aus dem Wahlkampf stehen", sagt Kogler.

Auf dem Tisch liegende Forderungen

Der stellvertretende Neos-Klubobmann Nikolaus Scherak freut sich in einer ersten Reaktion darüber, fragt sich aber auch: "Wieso auf einen Expertenrat warten? Wir müssen jetzt etwas weiterbringen." Es gebe zahlreiche Anträge der Neos für mehr Transparenz, eine umfassende Einsicht des Rechnungshofs in die Parteifinanzen und einen Straftatbestand der illegalen Parteienfinanzierung - und eine Punktation des Rechnungshofs.

Die fünf Punkte legte Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker schon Ende Mai vor. Sie reichen von vollen Prüfrechten für den Rechnungshof, dieser habe bislang "nur Aufgaben ohne echte Kontrollbefugnisse" über Auflagen für Vereine und Komitees bis zu einem eigenen Bericht zu Wahlkampfkosten und -finanzierung spätestens drei Monate nach dem Wahltag. Dazu wirksame Sanktionen durch den Rechnungshof, denn "ein Gesetz, das Umgehungen nicht ausschließt und Überschreitungen von Kostenobergrenzen nicht effektiv verhindert, ist zahnlos" - sowie den Vollzug der Parteienförderung als Kompetenz des Parlaments.

All das kam mit der Reform von SPÖ, FPÖ und Jetzt Anfang Juli so nicht. Laut den neuen Gesetzen dürfen maximal 7500 Euro pro Einzelspende an Parteien sowie 750.000 Euro jährlich gespendet werden. Dazu gibt es höhere Strafen bei Wahlkampfkostenüberschreitungen: Je nach Ausmaß machen sie zwischen 15 und 150 Prozent des überschrittenen Betrags aus. Neu ist auch ein Bonus bei der Klubförderung von drei Prozent, sofern die Frauenquote einer Partei im Nationalrat oder Bundesrat über 40 Prozent liegt.

Parteifinanzierungsexperte Hubert Sickinger hat zwar noch keinen Anruf von Kogler erhalten, "aber der wird schon noch kommen", meint er auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" und lacht. Er wird aber ohnehin nicht auf Anrufe - "egal von welcher Partei" - warten, denn: "Das Gesetz war bestenfalls ein Placebo, da fehlt nach wie vor einiges", sagt Sickinger.

Straftatbestand, Transparenzbei Vereinen und Klubs fehlen

Laut dem Parteifinanzierungsexperten brauche eine Verstärkung der Kontrolle auch auf Spenderseite, also den Einblick in Finanzströme über Vereinskonstruktionen zum Beispiel. Verdeckte Finanzierung sollte ein Straftatbestand werden. Wahlwerbungskosten sollten zwei Wochen vor dem Wahltag gemeldet, drei Monate danach abgerechnet vorliegen. Außerdem fordert er nicht nur für Parteien, sondern auch Nationalrats- und Landtagsklubs eine Rechenschaftspflicht.

Mit dieser Rechenschaftspflicht ließe sich zum Beispiel verhindern, dass Geld oder Personalressourcen der Klubs im Wahlkampf eingesetzt wird. Das ist zwar nicht erlaubt, aber mangels Rechenschaftspflicht schwer nachzuweisen. Dass Angestellte eines Parlamentsklubs Social-Media-Kanäle ihrer Spitzenkandidaten betreuen, ließe sich so verhindern.

Insgesamt 62 Millionen Euro erhalten die Parteien, Klubs und Akademien für ihre Arbeit - noch ohne Frauenbonus, denn der steht erst mit der Angelobung im Nationalrat fest. Hubert Sickinger berechnete anhand der Sora-Hochrechnung vom Montagabend, dass davon 9,4 Millionen Euro 2020 an die Grünen gehen. Die ÖVP erhält künftig rund 21,1, also um rund 2,4 Millionen Euro mehr als heuer. Ein Plus von 1,4 Millionen, 6,9 können die Neos erwarten. Verluste muss die SPÖ hinnehmen: Sie erhält 2020 nur 13,8 Millionen Euro, im Vergleich zu heuer um 2,8 Millionen Euro weniger. Und die FPÖ muss auf 5 Millionen im Jahr verzichten und erhält künftig 11 Millionen Euro.