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Transparenz bei Rating-Agenturen ist ein "Wahnsinn"

Von Michael Schmölzer

Wirtschaft

Wissenschaftler und Bankanalyst debattieren über S&P, Moody’s und Fitch.


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Wien. Professor gegen Bankanalyst - oder Wissenschaft konfrontiert Praxis: Am Mittwoch präsentierten der WU-Gelehrte Engelbert Dockner und der Chefanalyst der Erste Group Bank, Friedrich Mostböck, ihre Ansichten zu Bedeutung und Wirkung von Rating-Agenturen. Einig war man sich in den seltensten Fällen. Der Professor präsentierte sich weit über eine Stunde lang als Advokat der umstrittenen Finanzbeurteiler, der Bankanalyst hingegen schlug kritische Töne an.

Die Behauptung, Rating-Agenturen wären fehlerhafte und übermächtige Akteure auf dem Kapitalmarkt, wurde von Dockner eingangs relativiert. Er unterlegte mit Grafiken, dass Rating-Agenturen "so ungenau nicht sind". Vor allem, was Unternehmen betreffe. Die Bewertungen würden Marktentwicklungen zudem nicht vorgeben, sondern diesen hinterherhinken. Der Fehler liege darin, dass den Beurteilungen einfach zuviel Bedeutung beigemessen werde, so der Professor. Man müsse den Investoren mehr Verantwortung bei ihren Entscheidungen übertragen.

Dockner verwies auf eine Studie, wonach mehr Wettbewerb unter den Ratingagenturen eindeutig zu schlechterer Qualität führen würde. Eine "Verschwörung" gegen einzelne Staaten gebe es auch nicht, da etwa Moody’s börsenotiert und damit Politik-unabhängig, das Management der Rating-Firmen mit CEOs aus Indien und Frankreich multinational und Fitch mehrheitlich sogar in europäischem Besitz sei. Wer mit der Schaffung einer europäischen Einrichtung "Gefälligkeitsratings" erwarte, sei auf dem Holzweg. Und wenn man Rating-Agenturen für ihre Einschätzungen haftbar mache, sei das "kontraproduktiv": Dann würde nur noch extrem vorsichtig und konservativ geurteilt werden, viele wichtige - aber riskante - Einschätzungen gingen verloren.

Dass die Agenturen die genauen Methoden, nach denen sie auf- oder abstufen, publik machen, will Dockner ebenfalls nicht: "Dann könnten die Länder reagieren und einzelne Faktoren verändern und damit die Gesamt-Einschätzung völlig verzerren." Wollte man die Agenturen dazu verpflichten, wäre das "Wahnsinn".

Diesen Einschätzungen widersprach der Mann der Praxis, Mostböck. Seiner Ansicht nach wären die Rater extrem mächtig, würden aber an der Realität der Märkte vorbeigehen - und ganz grundsätzliche methodische Fehler begehen, indem sie Länder wie Unternehmen bewerteten. "Da werden Äpfel mit Birnen vermischt." Viele wichtige Faktoren würden gar nicht in Betracht gezogen.

"Rating-Agenturen sorgen

für Verunsicherung"

Wenn einem Land ein negativer Ausblick verpasst werde, führe das zur Verunsicherung der Marktteilnehmer und Investoren, weiß Mostböck. "Das ist so, als würde der Schiedsrichter mit der Roten Karte herumwedeln, diese aber nicht definitiv zeigen." Auch bildeten Standard&Poor’s, Moody’s und Fitch ein "Oligopol". Mostböck ist für "20 bis 25 Rating-Agenturen". "Dann wäre ein kompetitiver Markt geschaffen und das Resultat wäre besser." Die Rating-Agenturen hätten "die Krise durch falsche Prognosen mitverursacht und dann die Staaten dafür bestraft, dass sie für die maroden Banken einspringen mussten".