Lokalaugenschein in Flüchtlingslager und in Sderot. | Jabalija/Sderot. (afp) Anwar Baalusha schlief gerade, als bei einem israelischen Luftangriff die benachbarte Moschee einstürzte und auf sein Haus niederbrach. Der 37-Jährige aus Jabalija, einem Flüchtlingslager nördlich von Gaza-Stadt, konnte sich verletzt retten - und fand später unter den Trümmern die Leichen seiner fünf Töchter. Die vierjährige Jawaher, die achtjährige Dina, die zwölfjährige Samar, die 14-jährige Ikram und die 17-jährige Tahrir - die fünf Mädchen hatten keine Chance.
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Bei der Beerdigung lässt Baalusha Trauer und Zorn freien Lauf: "Wenn ein einziges israelisches Kind sterben würde, wäre die ganze Welt entsetzt und der UNO-Sicherheitsrat träte zusammen. Aber das Blut unserer Kinder ist der Welt egal."
Der israelische Luftangriff erfolgte in der Nacht auf Montag. "Meine Frau und ich schliefen mit unserem eineinhalb Jahre alten Sohn und meiner 15 Tage alten Tochter in einem Raum unserer Wohnung. Im anderen Raum schliefen die sieben Mädchen", berichtet der Vater. Nachbarn zogen die Familie nach dem Unglück aus den Trümmern, aber fünf der Töchter konnten nur noch tot geborgen werden. Die anderen Kinder mussten zusammen mit der Mutter ins Krankenhaus; diese erlitt einen Nervenzusammenbruch.
Baalusha selbst verlässt zur Trauerfeier am Montag das Krankenhaus. Gestützt auf seine beiden Eltern klagt der 37-Jährige die Entscheidungsträger in Israel an. Der Trauerzug für die fünf Mädchen wird von mehreren hundert Menschen begleitet. Die kleinen Särge sind in die Fahnen der Hamas gehüllt, immer wieder erklingen Israel-feindliche Slogans.
Ein Onkel der Getöteten hofft, dass der Tod seiner Nichten ein Signal für die arabische Welt ist: "Ich hoffe, dass die arabischen Länder nun ihr Schweigen brechen und sich nicht mehr zu Komplizen Israels machen." Unter den von Samstag bis Dienstagfrüh getöteten Menschen waren nach UN-Angaben mehr als 20 Kinder.
Beruhigende Aktion
Ungeachtet dieser Opfer steht die Mehrzahl der Israeli hinter dem Vorgehen der Armee. "Wir haben so lange auf diesen Moment gewartet", sagt Kio. Der Gastwirt lebt in der kleinen Stadt Sderot und damit in einer der südisraelischen Ortschaften, die immer wieder von Raketen aus dem Gazastreifen getroffen werden. Nun fürchten die Bewohner Sderots eine große Racheaktion der Hamas. "Ich habe Angst bei jedem Alarm", gesteht Kio und zeigt auf sein Auto. Eine Hamas-Rakete ließ die Scheiben zersplittern.
Doch davon lässt sich Kio seine Euphorie nicht nehmen. "Was unsere Armee im Moment macht, beruhigt mich sehr. Wir werden der Hamas zeigen, was es heißt, jeden Tag Angst haben zu müssen." Ähnlich sehen es viele: "Diese Operation bringt uns das Lachen zurück", sagt beispielsweise Shlomi, kurz bevor ein neuer Alarm ertönt - und eine Rakete einschlägt. Diesmal wird das Haus einer Familie getroffen, die glücklicherweise nicht zu Hause ist.
Für eine Nachbarin aber ist es zuviel, tränenüberströmt ist sie offensichtlich am Ende ihrer Nerven. Ein Sanitäter gibt ihr etwas Wasser. Wenig später sagt sie: "Das ist eigentlich unser tägliches Leben. Aber manchmal breche ich einfach zusammen."