Zum Hauptinhalt springen

Traum vom einheitlichen Arbeitsrecht

Von Theodor Tomandl

Wirtschaft

Unterschiedliche Berufe erfordern unterschiedliche Regeln. | Freie Dienstnehmer wollen Schutz. | Wien. Wahrscheinlich wird er wie eine Seifenblase zerplatzen: Der Traum der Regierung von einem einheitlichen Arbeitsgesetzbuch. Ein wesentlicher Punkt in der Diskussion um die Neukodifizierung ist die Schaffung eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs. Dazu ist folgendes anzumerken:


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Behauptung, es gäbe keinen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff, ist unrichtig. Das sieht man schon daran, dass das österreichische Recht neben dem Arbeitnehmer auch den freien Dienstnehmer kennt. Diese Unterscheidung wäre unmöglich, stünde nicht fest, wer Arbeitnehmer ist.

Zwar wird der Arbeitnehmerbegriff vom Gesetzgeber nur sehr vage formuliert. In einer jahrzehntelangen Rechtsprechung haben die Gerichte jedoch herausgearbeitet, dass als Arbeitnehmer anzusehen ist, wer für andere Arbeiten auf Zeit in persönlicher Abhängigkeit erbringt. Hauptmerkmal dieser persönlichen Abhängigkeit ist die Einbindung in einen fremden Organismus. Das äußert sich vor allem darin, dass der Arbeitnehmer zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet ist, weder seinen Arbeitsort noch seine Arbeitszeit frei bestimmen kann und in der Ausführung seiner Arbeit den Weisungen und der Kontrolle seines Arbeitgebers unterworfen ist. Für den Selbstständigen ist dagegen charakteristisch, dass er in diesen Fragen rechtlich nicht gebunden ist.

Freie Dienstnehmer in ähnlicher Lage

Manche freie Dienstnehmer und Personen, die sich im Rahmen eines Werkvertrages zu Dienstleistungen verpflichten, befinden sich in einer ähnlichen wirtschaftlichen Lage wie Arbeitnehmer. Sie verlangen daher, den Arbeitnehmerbegriff so zu erweitern, dass sie ebenfalls den Schutz der Arbeitnehmer erhalten. Im Sozialversicherungsrecht ist das bereits geschehen. Dabei zeigte sich allerdings, dass man zwischen freien Dienstnehmern, die arbeitnehmerähnlich sind, und solchen, die echten Selbstständigen gleichen, unterscheiden muss. Arbeitnehmerähnliche freie Dienstnehmer müssen zumindest den Hauptteil ihrer übernommenen Arbeit in eigener Person erfüllen und verfügen über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel. Wer dagegen nach Belieben Hilfskräfte einsetzen kann und die erforderlichen Betriebsmittel besitzt, gilt als unternehmerähnlich.

Die Problematik dieser Abgrenzung wird in der Praxis bei der Jobsuche sichtbar. Wer einen freien Dienstvertrag unter der Bedingung annimmt, dass er selbst ein eigenes Fahrzeug und einen Computer beistellt, für den gilt das Arbeitsrecht nicht. Stellt aber der Dienstgeber die Betriebsmittel bereit, genießt der Dienstnehmer den Schutz des Arbeitsrechts. Daran ändert sich nichts, wenn man die Abgrenzung an andere Einzelmerkmale selbstständiger Tätigkeit knüpft. Der einzige Ausweg besteht darin, im Einzelfall zu prüfen, ob der wirtschaftliche Druck auf den Stellenbewerber so groß war, dass von dessen freier Entscheidung nicht mehr gesprochen werden kann.

Diese Form der Erweiterung des Arbeitnehmerbegriffes verwischt also nicht nur die Grenze zwischen Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit. Sie gestattet auch, ohne sich dem Vorwurf der Umgehung auszusetzen, das Arbeitsrecht durch entsprechende Vertragsgestaltung auszuschalten.

Will man Personengruppen, die ihr Einkommen nur durch ihre höchstpersönliche Arbeitsleistung verdienen, einen erweiterten Schutz angedeihen lassen, bietet sich dafür ein anderer Weg an. Das österreichische Recht kennt auch die "arbeitnehmerähnliche Person". Diese zeichnet sich dadurch aus, zwar persönlich selbstständig, wirtschaftlich aber von ihrem Vertragspartner abhängig zu sein.

Für diese Personengruppe gelten nicht sämtliche arbeitsrechtliche Vorschriften, sondern nur einige ausgewählte Gesetze. Man könnte nun die Arbeitnehmerähnlichkeit neu definieren, sodass darunter jene Personen verstanden werden, die sich ihrem Vertragspartner gegenüber auf Zeit zur höchstpersönlichen Erbringung von nur der Art nach bestimmten Dienstleistungen verpflichten, ohne Arbeitnehmer zu sein. Für diese Personengruppe könnte man dann auch weitere Bestimmungen des Arbeitsrechts wie jene über den Urlaub oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall anwenden.

Sondergesetz für Verschiedenheiten

Der Gedanke des einheitlichen Arbeitsrechts stößt noch an eine andere Grenze: Arbeiter im Straßenbau, Landarbeiter, Facharbeiter an computergesteuerten Maschinen, Bürohilfskräfte, Schauspieler, Journalisten und Akademiker in leitenden Führungspositionen - um nur einige Arbeitnehmergruppen zu nennen - haben nicht nur berufsbedingt unterschiedliche Bedürfnisse. Jüngere, vor allem im High-Tech-Bereich Tätige besitzen auch eine andere Lebenseinstellung als weniger gebildete Menschen in traditionellen Berufen.

Frauen sind oft durch das Bemühen geprägt, Beruf und Haushalt unter einen Hut zu bringen. Selbst im öffentlichen Dienst, der nur den Beamten und den Vertragsbediensteten kennt und für jeden der beiden ein einziges Dienstrechtsgesetz besitzt, ist dieses Gesetz durch eine große Anzahl von Sonderbestimmungen für einzelne Personengruppen aufgeweicht geworden. Folgt man dann noch den Vorstellungen der Gewerkschaft, im Rahmen der Kodifikation des Arbeitsrechts die jeweils für die Arbeitnehmer günstigste Regelung in einem dieser Gesetze auf alle auszudehnen, ist das Scheitern vorprogrammiert.

Was dagegen Zukunft hat, ist der Weg, ein bestimmtes Problem, das sich für eine einheitliche Ausgestaltung eignet - wie dies etwa bei den Regelungen über den Urlaub oder den Mutter- und Väterschutz der Fall war - in einer für alle Arbeitnehmer gruppen einheitlichen Weise durch Sondergesetze zu regeln.

Theodor Tomandl ist emeritierter Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien.