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19 Milliarden US-Dollar für ein Start-up-Unternehmen, das gerade einmal 50 Leute beschäftigt. Und als Käufer tritt die Firma eines 29-jährigen Multimilliardärs auf, der befürchten muss, dass seine als Studentenprojekt gestartete Erfindung dabei ist, die Zukunft zu verpassen.
Man muss nicht sonderlich altmodisch oder technikskeptisch sein, um angesichts dieser neuen Ära eines globalen Daten-Kapitalismus, der sich in der Übernahme des SMS-Dienstes WhatsApp durch Facebook manifestiert, ein mulmiges Gefühl zu bekommen. Dass die nächste Blase in der Internetbranche so sicher kommt wie das Amen im Gebet, ist banal. Zu befürchten ist, dass sie bereits hinter der nächsten Ecke hervorlugt.
Mindestens so riskant ist das Geschäftsmodell: Das Sammeln, Verknüpfen und Auswerten von persönlichen Daten ist der Rohstoff der Zukunft. Die individualisierte Ansprache der Konsumenten ist nur der logische nächste Schritt nach der Individualisierung der Lebensentwürfe.
Was das für den Markt heißt, liegt auf der Hand: Wer über keine Daten seiner potenziellen Kunden verfügt, wird auf seinem Produkt sitzen bleiben. Ein Markt, der diesen neuen Spielregeln gehorcht, ist das Paradies für Newcomer, kein Platzhirsch kann sich mehr sicher fühlen. Was den Datenschutz angeht, ist diese neue Zeit der Stoff, aus dem Alpträume sind. Aber wie immer regiert in neu eroberten Territorien zunächst das Recht des Dschungels, erst später folgen Regeln, die auch die Schwachen schützen.
In dieser theoretischen Regelungshoheit der Staaten liegt das größte Risiko für die Geschäftsträume der neuen Unternehmerwelt. Wenn es nur nicht die Staaten selbst wären, die den größten Hunger nach den höchstpersönlichen Daten ihrer Bürger verspüren, wie jüngst der NSA-Skandal deutlich machte. Die Menschen werden also womöglich selbst aufpassen müssen, was sie freiwillig von sich preisgeben. Über alles andere haben sie ohnehin keine Verfügungsgewalt.
Und wer sich fragen sollte, woher nur dieser Kapitalismus seine unbändige Energie bezieht, muss sich nur vor Augen halten, dass einer der Gründer von WhatsApp in einem ukrainischen Dorf aufgewachsen und erst mit 16 Jahren mit der Mutter in die USA emigriert ist, dort als Putzmann jobbte und schließlich zum Milliardär aufstieg. Das ist wiederum der Stoff, aus dem Träume sind.