Auch österreichische Start-ups brüten neue Ideen im Silicon Valley aus.
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San Francisco. "Wir machen Dinge aus Silizium." So banal klang der erste Business Plan zweier Unternehmer im Jahr 1968. Das einseitige Dokument brachte ihnen ein Risikokapital von 2,5 Millionen US-Dollar ein, Intel war geboren.
Die Wurzeln des Silizium-Tals, des Silicon Valley, sind jedoch noch älter: In Mountain View gründeten 1957 acht Entwickler "Fairchild Semiconductor", ein Hersteller von Silizium-Chips für Rechner. Ein Wall-Street-Banker namens Arthur Rock trieb dafür das Risikokapital - "Venture Capital" - auf. Fairchild war die Geburtsstätte des Silicon Valleys. In den darauffolgenden Jahren verließen aber immer mehr Mitarbeiter das Unternehmen, um ihre eigenen Ideen umzusetzen - darunter auch Intel.
Ursprünglich bezieht sich der Begriff Silicon Valley auf das Santa Clara Valley südlich von San Francisco. Seit namhafte Unternehmen wie Twitter sich in der Stadt angesiedelt haben, gilt auch San Francisco als Silicon Valley, wenngleich die Grenzziehung weniger geografisch festzumachen ist als geistig. Hier kommt es auf die Denkweise an.
Den Österreicher Daniel Mattes hat es 2006 mit seinem Start-up Jajah, einem webbasierten Telefonanbieter, hierher verschlagen. Er bekam einen Anruf von der Venture-Capital-Firma Sequoia Capital. "So etwas war auch damals eine Ausnahme." Für US-Investoren war es eine Voraussetzung, dass Unternehmen hier angesiedelt sind. Drei Jahre lang baute Mattes Jajah in Mountain View weiter auf. Mit dem Börsencrash 2008 leerten sich auch die Straßen im Silicon Valley: "Es gab keine Staus mehr und die Büros waren verlassen." Trotzdem konnte Mattes 2009 sein Unternehmen an den spanischen Telekomkonzern Telefónica um mehr als 200 Millionen Dollar verkaufen - und das mitten in der Krise.
Heute ist von der damals herrschenden Endzeitstimmung nichts mehr zu erkennen, die Start-ups boomen so stark wie schon lange nicht. Das zweite Unternehmen gründete Mattes nur wenige Monate nach dem Exit: Jumio ist ein Anbieter von Bezahl- und Verifizierungssystemen. Die Entwicklung startete der Gründer in Linz: "Einerseits sind dort die Lohnkosten weitaus niedriger, andererseits haben stimmt die Qualität." In Palo Alto ist das US-Büro stationiert. Hier sind Marketing, Sales und Business Development angesiedelt - denn Mattes findet, als Internetunternehmen sollte man wenigstens einen Teil seines Geschäfts im Valley stationieren. Ein Erfolgsfaktor der Region sei die internationale Ausrichtung: "Davon profitieren auch die Unternehmen." Während Mattes die Internationalität der Region hervorhebt, betont Markus Wagner, Betreiber des österreichischen Start-up-Entwicklers i5Invest, den sich ständig verjüngenden Altersdurchschnitt als Charakteristikum des Valleys. Wagner verkaufte 2006 sein erstes Unternehmen, 3United AG, an die börsennotierte Verisign in Mountain View. Der Österreicher war damals 28 Jahre alt. Das galt damals als sehr jung. "Jetzt sind viele erfolgreiche Start-
up-Gründer zwischen 20 und 27 Jahren alt."
Den aktuellen Boom begrüßt er nicht uneingeschränkt: "Die Szene ist euphorisch, aber teilweise auch naiv und mit Tendenz zur Blase. Viele kommen für einige Monate her, um Geld zu sammeln. Die wenigsten sind jedoch langfristig erfolgreich."
Die Attraktivität des Silicon Valley ist eine "Kombination aus vielen Faktoren", beschreibt Rudolf Thaler, Wirtschaftsdelegierter des WKO-Außenwirtschaftscenters Los Angeles, das Ökosystem der Region. Die Risikobereitschaft, das Geld, die Forschungszentren und Unis und nicht zuletzt der Unternehmergeist machen die Region laut Thaler unnachahmlich und einzigartig. Seine Aufgabe ist es, österreichische Unternehmer an die Westküste zu holen. Mit dem dreimonatigen "Go Silicon Valley"-Programm hat die Wirtschaftskammer seit dem Start 2010 bereits 85 Firmen nach Sunnyvale gebracht. "Etwa 15 bis 20 davon haben daraufhin auch eine Firma in den USA gegründet."
Netzwerke from Austria
Die "Go Silicon Valley"-Initiative ist nicht der einzige Versuch, österreichischen Start-ups den Weg an die Westküste zu erleichtern. "Austrian Innovation Center Silicon Valley" nennt Mario Herger sein Programm. Der gebürtige Wiener lebt seit 2001 in Menlo Park und arbeitete bis vor kurzem noch bei SAP, bevor er sich selbstständig machte. Im Zuge von "Austrian Innovation Days" bringt er österreichische Unternehmer und Studenten mit Experten aus Silicon Valley zusammen. Ziel des Centers sei eine mehrmonatige Vorbereitung auf das Geschäftsleben im Silicon Valley. Dafür sucht Herger derzeit Investoren: "Ich bin zuversichtlich, dass wir nächstes Jahr das erste Budget haben." Um das zu fördern, veranstaltet er im März den ersten Wiener Austrian Innovation Day.
Auch Markus Wagner überlegt, für die Start-ups aus dem i5-Portfolio eine Schnittstelle im Silicon Valley aufzubauen. "Viele unserer Firmen sind sehr technologielastig, da ist die Westküste natürlich der richtige Ort."
Die Initiativen scheinen alle ein ähnliches Ziel zu verfolgen, einen gemeinsamen Nenner wollen sie trotzdem nicht finden. "Schnittstellen mit dem Austrian Innovation Center gibt es nicht. Was wir den Start-ups bieten können, ist ein Netzwerk vor Ort und die Chance, den Markt kennenzulernen", erläutert der Wirtschaftsdelegierte Thaler. Jumio-Gründer Daniel Mattes hält von solchen Initiativen wenig: "Es hat keinen Sinn, wenn sich die Österreicher verbandeln. Nur weil wir aus dem gleichen Land kommen, heißt das nicht, dass wir uns unterstützen müssen", erklärt Mattes kritisch. Nachholbedarf sieht er nicht im Startup-, sondern im Forschungsbereich: "Es wäre wünschenswert, dass mehr österreichische Unternehmen für Forschungszwecke das Valley besuchen."
Als Erfolgsbeispiel erwähnt WKO-Repräsentant Thaler Doppelmayr Cable Car: Der Betrieb aus Vorarlberg entwickelt derzeit ein Transportmittel für den Flughafen Oakland. Deutsche Konzerne sind längst vom Geist des Silicon Valley angesteckt. Autohersteller wie BMW und Audi haben hier Forschungszentren. Die Deutsche Telekom betreibt in Mountain View nicht nur eine Entwicklungsabteilung, sondern auch eine Risikokapital-Abteilung, "T-Venture". Für die Telekom Austria sind ähnliche Bestrebungen hingegen kein Thema: Man wolle die Wirtschaftsregion in Zentral-, Ost- und Südosteuropa stärken. "Zudem fördert A1 Initiativen für Start-ups in Österreich", heißt es von der Telekom.
Was das Silicon Valley zu einem einzigartigen Wirtschaftsraum macht, sind nicht zuletzt die Menschen, die es aufgebaut haben. Arthur Rock, der als erster Venture Capitalist gilt oder Sequoia-Gründer Don Valentine sind zwar nicht mehr operativ im Geschäft. Ihre Firmen gelten jedoch weiterhin als die Treiber des Standortes. Die Pioniere geben noch immer den Ton an und erlauben es sich, wählerisch zu sein. So gab Valentine kürzlich zu: "Ich lese bei Business-Plänen nur die letzte Seite. Sind die Zahlen gut, interessiert mich das Unternehmen."