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Traumphasen lindern Gefahr von Traumata

Von Richard E. Schneider

Wissen

Schlafphasen sind nötig für Löschung von Angstgedächtnis. | Tests für Ärzte, Sanitäter, Polizisten, Soldaten empfohlen. | Tübingen. Neueste Forschungen belegen die Bedeutung der für Träume zuständigen REM-Schlafphase, die unter anderem durch schnelle Augenbewegungen gekennzeichnet ist (REM bedeutet "Rapid Eye Movement"). Denn die REM-Phase ist eng mit der Löschung des Angstgedächtnisses nach traumatischen Vorfällen verknüpft.


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Wer nach Katastropheneinsätzen das REM-Schlafstadium nicht oder nur sehr kurzzeitig erreicht, hat ein erhöhtes Risiko, eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu entwickeln. Das Angstgedächtnis, das sich nach dem schrecklichen Ereignis entwickelt, lässt sich nicht mehr löschen. Dieser Umstand verursacht beim Patienten Albträume, schmerzende Nachhall-Erinnerungen (Flash-backs), Freud- und Teilnahmslosigkeit sowie ein steigendes Bemühen, Situationen zu vermeiden, die mit dem erlebten Trauma assoziiert werden können. In der weiteren Folge führt dies zu wachsender sozialer Isolation des Betroffenen, der häufig in Angst und tiefe Depressionszustände gerät. Auch Suizidgedanken sind nicht selten. Schätzungsweise 8 bis 20 Prozent der Betroffenen entwickeln nach einem Katastrophenereignis eine klinisch relevante PTBS. Die Quote kann bei Notärzten, Feuerwehrmännern, Sanitätern und Soldaten bis auf 50 Prozent ansteigen.

Hirnregionen betroffen

Ursache ist der gestörte Auslöschungs-Mechanismus im Gehirn infolge der ungenügenden Aktivität bestimmter Gehirnregionen, nämlich des ventromedialen Präfrontalen Cortex (er liegt direkt hinter der Stirn über den Augen) und des Hippokampus. Auch eine Hyperaktivität der Amygdala - sie wird auch "Mandelkern" bezeichnet, ist ein Kerngebiet des Gehirns im medialen Teil des Temporallappens und tritt jeweils paarig auf - wurde beobachtet. Der Bezug zwischen der Qualität des REM-Schlafs und unterbrochenem Angstauslöschungs-Mechanismus war der Forschung schon bekannt.

Deutsche Max-Planck-Wissenschafter um Michael Czisch und Viktor Spoormaker untersuchten nun eingehend diesen Zusammenhang. Im Prinzip gibt es einen festen Bezug zwischen Schock-Reaktion und Angstgedächtnis-Löschung. Werden Schrecken auslösende Ereignisse durch anhaltende Überaktivität des Hirnstamms beantwortet, kann daraus geschlossen werden, dass der REM-Schlaf unterbrochen sein wird und eine unvollständige Löschung des Angst-Gedächtnisses erfolgt. Dies wird auch durch Tierversuche bestätigt. Nach Spoormaker stellt ein traumatisches Erlebnis eine notwendige, jedoch keineswegs ausreichende Vorbedingung für die Entwicklung einer PTBS dar.

Im Resultat ihres Tests empfehlen die Max-Planck-Wissenschafter, mit einem einfach aufgebauten Test den REM-Schlaf nach Verabreichung elektrischer Impulse bei dem Personenkreis zu messen, der für einen Einsatz im Katastrophenfall vorgesehen ist. Dadurch könnten diejenigen Personen selektiert werden, die größere Angsterlebnisse auch wieder löschen könnten. Nicht zuletzt Polizei, Militär sowie Rettungs- und Feuerwehrleute könnten sich somit besser wappnen gegen die immer weiter grassierende PTBS.