Chemiker Peter Weinberger mischte "Elefantenzahnpasta" für Politiker.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Weißer Rauch säumt den Asphalt, rosa Schaum spritzt in die Luft: Wenn es sein muss, wissen Techniker ihr Fach durchaus in Szene zu setzen.
Am Mittwoch fand vor der Technischen Universität (TU) Wien eine Vorlesung statt, um auf die finanzielle Not der hochverschuldeten Uni hinweisen. Hunderte Menschen waren zur "Street Lecture" in der Operngasse gekommen, um die Versuche des Chemikers Peter Weinberger mitzuverfolgen – und nicht nur Studierende. Doris Schott etwa kam zufällig vorbei, sie findet es "traurig und verrückt", dass sich die Zustände an den Unis dramatisch verschlechtert haben – schließlich seien diese schon miserabel gewesen, als sie vor 20 Jahren studierte. "Zum Schießen" findet hingegen eine Deutsche, was hier stattfindet. Als ein Student ihr die Unterfinanzierung der Unis näher bringt, sagt sie: "Wien sieht so toll aus, das kann ja nicht sein!"
"Elefantenzahnpasta für die Großmäuler in der Politik"
Um punkt zehn Uhr hatte die Polizei die Opernstraße abgesperrt, innerhalb weniger Minuten wurde in der sonst stark befahrenen Straße ein provisorisches Labor errichtet. Die TU Wien komme mit einem Siebentel des Budgets der ETH Zürich aus, sagt Chemieprofessor Weinberger, und dann wird es explosiv: Mit der "Blaulichtreaktion" grüßt er die anwesende Exekutive; der Asphalt wird schockgefroren; eine Mischung aus Waschmittel, Wasserstoffperoxid und Kaliumiodid ergibt rosa Schaum: "Elefantenzahnpasta für die Großmäuler in der Politik", so der Professor.
<br style="font-weight: bold;" /> "Gebühren keine Lösung"
Ernsthafter gibt er sich im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": Die TU sei "pleite". Um Forschung und Lehrer aufrecht zu erhalten, brauche es Geld. Unverständlich sei ihm, dass weder Politiker, noch Industrielle die TU Wien als die größte technische Universität des Landes anerkennen, die Personal für die Zukunft ausbildet. Einige Unis wollen nun autonom Studiengebühren einheben, nicht aber die TU. Für Weinberger sind Gebühren solange keine Lösung, bis nicht garantiert werden könne, das dieses ohne Probleme abgeschlossen werden kann. Und das sei derzeit bei 20 bis 30 nicht besetzten Professuren und schwer zu ergatternden Laborplätze nicht der Fall.
Die Bedingungen in ihrem Studium hätten sich in den letzten beiden Jahren sehr verschlechtert, berichtet die Informatikstudent Georg Edlinger: Auf Prüfungsergebnisse warte man etwa aufgrund Personalmangel Monate lang. "Cool" findet sein Kollege Johannes Obermüller, dass nun auf der Straße auf die Misere hingewiesen wird.
Interesse besteht allemal; ein Mann in Bikerkluft – Fliegerbrille, Lederhose, Helm unterm Arm – beobachtet rauchend das Spektakel. Wie er das hier findet? "Super, das sollte es viel öfter geben." Selbst habe er zwar nie studiert, sagt aber: "Ich studier’ das Leben."
Erleichtert über den einwandfreien Ablauf der nicht einmal einstündigen Aktion zeigt sich Martin Olesch vom Vorsitzteam der TU-Hochschülerschaft. Nächsten Mittwoch soll es eine Mathematikvorlesung auf der Straße geben. "Wir wollen das hier solange machen, bis die Politik bereit ist, die Unis auszufinanzieren."