Die Länder sind hierzulande die größte Gefahr für den Föderalismus.
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In Österreich, und in der Bundeshauptstadt ganz besonders, hat man es ja generell nicht leicht als überzeugter Föderalist. In Wien etwa plädiert, wer etwas auf sich hält, umstandslos für die anstandslose Abschaffung der Länder. Und wer vor der Radikalität dieser Forderung zurückschreckt, will wenigstens noch den Landtagen, dieser Institution gewordenen politischen Überflüssigkeit, den Garaus machen. Das Bundesverfassungsgesetz hin oder her.
Das wäre - viel Feind, viel Ehr’! - ja für sich genommen noch durchaus auszuhalten. Zu viel des Erträglichen ist es jedoch, mitansehen zu müssen, wie der hierzulande gelebte Bundesstaatsgedanke seinen Kritikern regelmäßig recht gibt. Diesbezüglich darf der Sommer 2015 getrost als föderalistische Bankrotterklärung bezeichnet werden.
Zweifellos stellt der aktuelle Flüchtlingsansturm auf Österreich (und einige weitere EU-Staaten) eine außergewöhnliche Belastungsprobe für die Politik dar. Dass aber nun die Bundesregierung per Verfassungsänderung sich selbst die Mittel an die Hand gibt, für ausreichend Unterkünfte für die Asylwerber zu sorgen, ist eine politische Bankrotterklärung des Föderalismus. Umso mehr, als die Länder ihrer teilweisen Entmachtung sogar zustimmend entgegenblicken.
Der Eindruck, der dabei entsteht, ist fatal: Übersteigt eine bestimmte Zuständigkeit ihren aus Ländersicht gegebenen politischen Mehrwert, wandelt sie sich zur untragbaren Belastung - und wird gerne an die höhere Ebene abgetreten: Soll sich doch das Innenministerium mit widerborstigen Bürgermeistern und aufgebrachten Bürgerinitiativen, die gegen Asylunterkünfte in ihren Gemeinden mobilmachen, herumschlagen.
Machtpolitisch und wohlfühltechnisch mag das sogar rational sein, nur widerspricht es eben jeder der grundsätzlichen Idee des föderalen Subsidiaritätsgedankens. Nach diesem gewinnen politische Entscheidungen an demokratischer Legitimität, je näher am Bürger sie getroffen werden. Von einer Unterscheidung zwischen populären und unpopulären Entscheidungen findet sich dagegen nichts in den sonntäglichen Lobgesängen auf die Bundesstaatlichkeit.
Der zweite Schlag in die Magengrube der Zentralismuskritiker kommt - wieder einmal, muss man sagen - aus Kärnten. Hier schlussfolgert die Landesregierung aus dem Umstand, dass der Bund Landesgesetze grundsätzlich begutachten muss (de facto aber kaum eine Vetomöglichkeit besitzt), eine Mitverantwortung des Bundesstaats für die Wahnsinnshaftungen, die das Land seinerzeit im Zuge seiner Hypo-Umnachtung eingegangen ist. Und von denen bis heute nach wie vor 10 Milliarden Euro offen sind.
Im Nachhinein die eigene politische Zurechnungsfähigkeit zu bestreiten, ist allenfalls als Ausdruck absoluter Verzweiflung noch irgendwie verständlich. In der Sache spricht sich ein solches Land allerdings jede Fähigkeit ab, den gesetzlichen Zuständigkeitsbereich auch eigenverantwortlich zu gestalten.
Kompliment: Schlüssiger und überzeugenden könnte ein Zentralist auch nicht argumentieren. Die Wahrheit ist, dass in Österreich die größte Gefahr für die Möglichkeiten des Föderalismus realpolitisch von den Ländern ausgeht.