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Treffsicher ungenau

Von Simon Rosner

Leitartikel

Die Gießkanne hat in Österreich Tradition - aber auch System.


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Der Regierung ist sich durchaus bewusst, dass die Strompreisbremse alles andere als eine treffsichere Förderung ist. Teuer ist sie mit drei bis vier Milliarden Euro obendrein. Und vielleicht wird es am Ende noch mehr werden, denn in Vorarlberg und Tirol, wo der Strompreis dank Wasserkraft niedriger ist, regt sich Kritik, dass an Wiener Haushalte mehr Geld fließen wird. Je größer dieser Unmut wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Strompreisbremse nicht alles gewesen sein wird.

Zwar wird auch in Telfs niemand zwei Mindestpensionisten aus Ottakring diese Unterstützung neidig sein. Der reiche Single im Luxusapartment in Wien wird aber nun seinen gesamten Stromverbrauch subventioniert bekommen, während die Jungfamilie in Telfs, die sich zum Klimaschutz eine Wärmepumpe angeschafft hat und viel mehr als 2.900 Kilowattstunden benötigt, nur einen Teil gefördert bekommt. Gerecht?

Wenn der Staat bei Förderungen so ungenau zielt, ist die Gefahr groß, in ein Akzeptanzproblem zu schlittern. Das kann weitere staatliche Zahlungen bedingen, um die Schieflage wieder zu begradigen. Dadurch erhöht sich zwar die Gerechtigkeit, es wird aber nicht treffsicherer. Und noch teurer.

Es wäre zwar zielführender, die Verbrauchsdaten jedes Haushalts der vergangenen Jahre zu mitteln und davon einen Teil zu subventionieren. Es ist der Regierung aber zu glauben, dass dies unter den bestehenden Gesetzen und aufgrund mangelnder Möglichkeiten zum Datenaustausch nicht möglich war. Schon bei den Covid-Hilfen dürfte es, wie der Rechnungshof in einem Rohbericht befand, zu Überförderungen gekommen sein. Andere Länder in Europa sind hier deutlich besser aufgestellt. In Estland besteht ein sicheres System zum Datenaustausch zwischen Behörden und auch privaten Unternehmen, wobei die Bürgerinnen und Bürger die Autorität über ihre Daten nicht verlieren. Sie sehen auch, wer sie wie verwendet.

Bei aller berechtigten Sorge wird auch eine öffentliche Debatte darüber zu führen sein, wie sich der Datenschutz weiterentwickeln sollte. Diese Diskussion nicht zu führen - siehe Strompreisbremse, siehe Corona-Pandemie -, kann sehr teuer kommen.

Doch was hätte die Regierung im konkreten Fall tun sollen? Die seit Wochen angekündigte Preisbremse auf den letzten Metern einzustampfen, weil sie sich leider doch nicht treffsicher umsetzen lässt, wäre politischer Wahnsinn gewesen. Noch länger daran herumzudoktern, um kleine Verbesserungen zu erreichen, wäre wohl auch schwierig gewesen. Man muss wohl der Realität ins Auge blicken und die sehr imperfekte Lösung akzeptieren. Das eigentliche Problem dabei: Schon wieder!