Magnus Brunner sieht effiziente Inflationsmaßnahmen, der Budgetdienst nur eine gleichverteilte Entlastung.
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Nicht einmal die Zahlen sind unumstritten, vom Fazit ganz zu schweigen. Aber natürlich hängt das eine vom anderen ab. Das Finanzministerium berechnete von 2022 bis 2026 ein Entlastungsvolumen in Höhe von 49 Milliarden Euro. Per Aussendung konstatiert Minister Magnus Brunner (ÖVP), dass die "Treffsicherheit dieser Hilfsmaßnahmen überdurchschnittlich" sei. Doch keine Gießkanne, die ja selbst die Regierung teilweise eingestanden hatte?
Zunächst, auf den Gesamtbetrag von rund 49 Milliarden Euro bis 2026 kommt nicht nur das Finanzministerium, sondern auch das Wifo. Die Beträge unterscheiden sich marginal. Beide Kalkulationen inkludieren die Entlastung durch die Abgeltung der kalten Progression, die seit heuer greift. Sie allein macht bis 2026 fast die Hälfte der 49 Milliarden Euro aus.
Die Einbeziehung ist argumentierbar. Obwohl es eine Uralt-Forderung ist, wäre die Maßnahme ohne die Rekordinflation vielleicht nicht beschlossen worden. Das Ende der kalten Progression stand so nicht im Regierungsprogramm. Und zweifellos handelt es sich um eine große Entlastung.
Dennoch ist ihre Einbeziehung strittig. Denn auch früher wurde die kalte Progression abgegolten, nur eben in Form gelegentlicher Steuerreformen. Das wäre angesichts der hohen Teuerung sicher irgendwann passiert, alles andere wäre politisch nicht haltbar gewesen. Nur wann? Dieses Jahr, kommendes oder doch erst 2025?
Die Frage ist deshalb relevant, weil sie für die Bewertung der Treffsicherheit der Maßnahmen wichtig ist. Das Ende der kalten Progression begünstigt Haushalte mit höheren Einkommen naturgemäß mehr, da sie ja auch mehr Lohnsteuer zahlen. Und dieser Entlastungsbrocken ist riesig.
Der Budgetdienst des Parlaments hatte diese Maßnahme in seinen Berechnungen drin, später teilweise aber nicht mehr. Man könne nicht ewig fortschreiben, dass es keine anderweitige Abgeltung der kalten Progression gegeben hätte, sagt Helmut Berger, der Leiter des Budgetdienstes.
Pendlerpauschale verteilt von unten nach oben
In seiner Analyse der Teuerungspakete der Regierung, in denen das Ende der kalten Progression noch enthalten war, kommt der Budgetdienst zum Schluss, dass sich das Entlastungsvolumen "relativ gleichmäßig auf die fünf Einkommensquintile" verteilt, wie es im dritten Bericht der Expertengruppe zur Beobachtung der Inflation heißt. Er wird vom Finanz- sowie dem Sozialministerium herausgegeben, im Gremien selbst sitzen unter anderem Vertreter der Wirtschaftsinstitute, der Sozialpartner und des Fiskalrats.
Gewisse Einmalzahlungen hatten sich überhaupt nur an ärmere Haushalte gerichtet, dem gegenüber entfiel aber fast die Hälfte des erweiterten Pendlerpauschales auf Bezieher der höchsten Einkommen (fünftes Quintil). Relativ gesehen, so der Budgetdienst, würden vom Ende der kalten Progression zwar Personen mit kleineren Einkommen am meisten profitieren, nicht aber, wenn man die Verteilung des gesamten Entlastungsvolumens betrachtet.
Der Budgetdienst hat seine Berechnung nur auf die Jahre 2022 und 2023 bezogen, das Ende der kalten Progression schlägt aber vor allem danach durch und verschiebt auch die Verteilungswirkung zu höheren Einkommen.
Das Finanzministerium argumentiert die hohe Treffsicherheit der Maßnahmen mit einer IWF-Studie, wonach rund 37 Prozent der Ausgaben für den Anti-Teuerungs-Kampf "als zielgerichtet zu klassifizieren" sind. Das klingt zwar nicht viel, im Ländervergleich weist der Internationale Währungsfonds aber Österreich weit vorne aus. "Kein einziges Land hat gemäß den Einschätzungen des IWF ausschließlich zielgerichtete Maßnahmen umgesetzt."
Eine Definition der Treffsicherheit findet sich in der IWF-Studie nicht, wohl aber eine Bewertung der einzelnen Maßnahmen. Aus dieser geht hervor, dass die Zusatzförderung für Pendler erst gar nicht inkludiert wurde. Der doppelte Klimabonus sowie der erhöhte Familienbonus wurden zudem als zielgerichtet gewertet. In der politischen Debatte in Österreich war genau das als Gießkanne identifiziert worden.
Über die Frage der Treffsicherheit lässt sich ebenso streiten wie über die langfristige Einbeziehung der kalten Progression. Inkludiert man diese Maßnahme aber langfristig, um eine hohe Gesamtsumme der Entlastungen zu erzielen - 49 Milliarden Euro! -, muss man auch akzeptieren, dass sich in dieser Beschau die Treffsicherheit reduziert. Auch der großzügige IWF hat das Aus der kalten Progression drin - als nicht zielgerichtet.