Die Emissionen reduzieren sich coronabedingt um 7,7 Prozent. Grund zum Aufatmen gibt es allerdings nicht.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es zeigt sich nun auch in der (vorläufigen) Treibhausgas-Bilanz für Österreich: 2020 war kein gewöhnliches Jahr. Die Emissionen sind um rund 7,7 Prozent im Vergleich zum Jahr davor gesunken. In den vergangenen Jahren bewegte sich die Schwankungsbreite meist zwischen ein und zwei Prozent. In Summe wurden im vergangenen Jahr 6,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent weniger emittiert. Der Gesamtausstoß ging damit auf 73,7 Millionen CO2-Äquivalent zurück.
"Das ist nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht", sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Präsentation der Zahlen am Freitag. Der Rückgang der Emissionen basiere großteils auf den Lockdowns im Zuge der Corona-Pandemie. "Die Krise ersetzt keine ambitionierte Klimapolitik", sagt Gewessler. Man dürfe sich jetzt auf den Zahlen nicht ausruhen, der Corona-Effekt würde im Nu verpuffen.
Die Zeit drängt in der Tat. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Das bedeutet, dass es zwar noch Emissionen geben darf, diese müssen aber kompensiert werden. Verkehr, Industrie, Energie und Gebäude müssen umweltfreundlicher gestaltet werden. Für die Regierung eine Mammutaufgabe. Mit dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der E-Mobilität sollen zum Beispiel die Emissionen beim Sorgenkind Verkehr reduziert werden.
Kurzfristiger Rückgang beim Verkehr
Zumindest 2020 gab es in diesem Sektor einen ordentlichen Rückgang um 14 Prozent. Coronabedingt ging die Verkehrsmenge teilweise um 50 bis 70 Prozent zurück. Allerdings - und das ist die schlechte Nachricht - hat sich der Verkehr schnell wieder erholt. "Wir haben derzeit fast wieder das Niveau wie vor der Krise", sagt Günther Lichtblau, Klimaexperte im Umweltbundesamt. Deshalb erwartet er bereits heuer wieder eine Stabilisierung der Emissionen. Die Mobilität wird 2021 wieder dominieren. Es hänge jedoch auch von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab.
Dabei müsste etwa das Homeoffice noch dämpfend auf den Verkehr wirken: Mehr Menschen arbeiten zu Hause und fahren nicht mit dem Auto. Lichtblau erwartet jedoch "Rebound-Effekte". "Bei Unternehmen gibt es jetzt erhöhten Mobilitätsbedarf, wenn sie etwa Waren nachkaufen", sagt der Klimaexperte. Menschen, die in der Pandemie wegen Sicherheitsbedenken aufs Auto umgestiegen sind, gelte es jetzt wieder vom öffentlichen Verkehr zu überzeugen. "Wir müssen dafür sorgen, dass es so einfach wie möglich wird, klimafreundlich zu fahren", sagt die Klimaschutzministerin.
In den Sektoren, die dem Europäischen Emissionshandel unterliegen, gibt es ein Minus von 8,6 Prozent. Dies ist hauptsächlich auf einen Rückgang in der Stahlproduktion und Schwerindustrie zurückzuführen. Markant ist der Rückgang, der alleine auf die Stilllegung des letzten Kohlekraftwerks in Mellach (Steiermark) zurückzuführen ist. Dadurch wurden 0,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent eingespart. Daneben wirkte sich auch die niedrigere Stromproduktion aus fossilen Erdgaskraftwerken positiv auf die Bilanz aus.
In den Sektoren Gebäude und Landwirtschaft sind die Emissionen laut vorläufigen Zahlen weitgehend stabil geblieben. Bei Abfallwirtschaft und Fluorierte Gase setzen sich die abnehmenden Trends der vergangenen Jahre fort.
Vorgaben übererfüllt
Zwar mag die Treibhausgas-Bilanz für 2020 positiv aussehen, doch im Vergleich mit dem Jahr 1990 relativiert sie sich. "Leider liegen wir nicht weit unter dem Niveau von 1990", sagt Klimaexperte Lichtblau. Vor 30 Jahren betrugen die Emissionen 78,4 Millionen CO2-Äquivalent - 4,7 Prozent wurden seither lediglich eingespart. Immerhin: Die nationale Höchstmenge an Emissionen wurde 2020 um 1,2 Millionen Tonnen unterschritten. Österreich erreicht seine Klimaziele. "Wir haben die Zielvorgaben von 2013 bis 2020 um 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent übererfüllt", sagt Lichtblau. Für 2020 müssen deshalb keine zusätzlichen CO2-Zertifikate gekauft werden. Das "Guthaben" kann allerdings nicht mitgenommen werden. Es verfällt.
Wie geht es nun also weiter? Für die neue Zielperiode von 2020 bis 2030 hat die EU im Rahmen ihres "Fit for 55"-Pakets einen neuen Zielpfad vorgegeben. Österreich muss laut diesen Vorgaben 48 Prozent der Emissionen im Vergleich zum Basisjahr 2005 einsparen. "Der Reduktionspfad ist deutlich ambitionierter als bisher", sagt Lichtblau.
Preis für Zertifikate wird steigen
In den Sektoren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, gibt es aktuell Emissionen in Höhe von 46,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. "Innerhalb der nächsten neun Jahre müssen wir auf 30 Millionen Tonnen runter", sagt Lichtblau. Um bis 2040 CO2-neutral zu sein, müsste der Ausstoß pro Jahr um vier bis fünf Prozent sinken.
Der Klimaexperte erwartet, dass die Preise für CO2-Zertifikate massiv steigen werden. Denn das System wird umgestellt. Bisher war es möglich, auch internationale Zertifikate zu erwerben. Künftig gibt es einen rein innereuropäischen Handel. "Das ist die große Unbekannte, weil eine Übererfüllung nicht so leicht ist", sagt Lichtblau. Er rechnet mit Preisen um die 100 Euro pro Tonne. Im Mai dieses Jahres notierte der Preis für eine Tonne CO2 bei rund 50 Euro. Die Treibhausgas-Bilanz beinhaltet noch nicht die finalen Zahlen für 2020. Diese liegen erst Ende des Jahres vor. Viel wird sich aber nicht mehr ändern: Die Schwankungsbreite liegt bei 0,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent.