Interne Berechnungen des Umweltbundesamts sehen weiteren CO2-Anstieg. Es drohen Zahlungen in Milliardenhöhe.
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Wien. Die gute Nachricht ist, dass Österreich seine EU-Klimaziele bis 2020 wohl haarscharf erreichen wird. Die schlechte Nachricht: Das gelingt nur dank eines Rechentricks. Die mittelfristigen Klimaziele bis 2030 könnte Österreich verfehlen. Wenn keine ausreichenden Maßnahmen gesetzt werden, rechnet das Umweltministerium mit Kosten von 1,3 bis 6,6 Milliarden Euro, wie eine parlamentarische Anfragebeantwortung durch Umweltministerin Elisabeth Köstinger auf Initiative der Liste Jetzt zeigt.
Die Treibhausgase in Österreich steigen seit vier Jahren. Dass sie bis 2020 sinken, ist derzeit unwahrscheinlich. Sie liegen auch deutlich über dem vorgegebenen EU-Zielpfad. Dass Österreich seine Vorgaben für 2020 erreicht, liegt nur daran, dass der Berechnungszeitraum bis 2013 zurückliegt und wir bis 2016 weniger als zulässig emittiert haben. Und das wiederum lag am damals sehr mauen Wirtschaftswachstum. Das errechnete Guthaben daraus beläuft sich auf sechs Millionen Tonnen CO2.
Interne, noch vorläufige Berechnungen des Umweltbundesamtes, die der "Wiener Zeitung" vorliegen, zeigen nun, dass in den kommenden Jahren keine CO2-Reduktion in Österreich zu erwarten ist. Das Gegenteil ist der Fall. Das größte Sorgenkinderkind ist derzeit der Verkehrsbereich. Hier ist die sogenannte "Base-Line-Lücke", also die Lücke zwischen Ist- und Soll-Zustand, am größten. Aber auch im Bereich Gebäudesanierung muss sich noch einiges tun. Konkret rechnet das Umweltbundesamt in seinen Berechnungen mit einem Anstieg des Benzin- und Dieselverbrauchs bis 2020 um 1,7 beziehungsweise 1,6 Prozent. Umgekehrt werden Rückgänge beim Heizöl- und Erdgasverbrauch um 12 beziehungsweise 7 Prozent erwartet.
2017 sind die Treibhausgasemissionen in Österreich das dritte Jahr in Folge gestiegen. Neuere, offizielle Zahlen gibt es nicht. Die Behörden rechnen aber nicht nur für 2018 und für heuer, sondern auch für die kommenden Jahre mit einem weiteren Anstieg. Den vorläufigen Berechnungen des Umweltbundesamtes zufolge soll Österreich ohne zusätzliche Maßnahmen 2019 und 2020 um 2,7 beziehungsweise 3,2 Millionen Tonnen mehr CO2 emittieren, als im Zielpfad vorgesehen.
Hohe Kosten ohne neue Ziele
Nach dem Klimaabkommen von Paris haben sich EU-Kommission und Mitgliedsstaaten im Rahmen der sogenannten Effort Sharing Regulation (siehe Wissenskasten, Anm.) auf konkrete Klimazielvorgaben für die einzelnen Länder geeinigt. Je nach Wirtschaftsleistung ergeben sich dabei unterschiedliche Ziele für die unterschiedlichen Länder. Für Österreich bedeutet das, dass es gegenüber 2005 gut 36 Prozent seiner Treibhausgase einsparen muss. Bis 2020 müssen 16 Prozent eingespart werden. Ansonsten wird es teuer. Sehr teuer.
Dann muss Österreich nämlich sogenannte CO2-Zertifikate zukaufen. Der Handel ist aber nur EU-intern erlaubt. Österreich kann also nur Zertifikate von EU-Ländern erwerben, die ihre Ziele übererfüllt haben und quasi ein Guthaben erworben haben. Nach jetzigem Stand sieht es aber nicht so aus, als würden viele EU-Länder ihre Klimaziele übererfüllen. Das könnte wiederum zu einer Verknappung der Zertifikate führen, die dann um ein Vielfaches teurer werden. Oder überhaupt nicht mehr verfügbar sind. Was in diesem Fall passiert, weiß jetzt noch niemand.
Wohl auch deswegen hat das Umweltministerium die Kosten mit 1,3 bis 6,6 Milliarden Euro so breit kalkuliert. Budgetiert sind sie jedenfalls noch nicht, heißt es auf Nachfrage. Ob und für welche Zeiträume man dafür Budgetvorkehrungen treffen wird, hängt von Österreichs Klimastrategie "mission2030" ab, die derzeit finalisiert wird. Jedes EU-Land muss nämlich bis Jahresende der EU-Kommission konkrete Maßnahmen vorlegen, wie es seine Kli maziele erreichen will.
"Wir vom Umweltministerium sind mit den anderen Ressorts und den Ländern in intensiven Verhandlungen, um die Ziele zu erreichen", sagt Jürgen Schneider vom Umweltministerium auf Nachfrage. Das Problem sind aber eben diese anderen Ressorts. Verkehr, das derzeitige Sorgenkind in der Klimastrategie, wird im Verkehrsministerium geregelt. Dort setzt man zwar auf die Förderung von E-Mobilität und Wasserstoff sowie den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Klimaexperten gehen aber davon aus, dass das nicht ausreicht. Die Gebäudesanierung wiederum, ebenso wie vieles im Agrar- und Energiebereich, ist Ländersache. Hier haben die Finanzlandesreferenten vor kurzem beschlossen, das Thema aktiver und vernetzter anzugehen. Wohl deswegen, weil 20 Prozent der anfallenden Klimakosten die Länder über den Finanzausgleich zahlen müssen.
Wachstum versus Klima
In der eben beschlossenen Steuerreform finden sich ein paar ökologische Komponenten wie etwa die Treibstoff-abhängige Normverbrauchsabgabe. Von einer Ökologisierung des Steuersystems ist man aber noch weit weg. Bundeskanzler Sebastian Kurz hat diesbezüglich um Geduld gebeten.
Bruno Rossmann, Klubobmann der Liste Jetzt und Autor der parlamentarischen Anfrage, fordert etwa eine aufkommensneutrale Öko-Steuer im Umfang von circa acht Milliarden Euro, "die man dann an Betriebe und Haushalte weitergeben kann", sagt er. Dazu zählen eine CO2-Abgabe und die Abschaffung von umweltschädlichen Steuerprivilegien wie der niedrigeren Dieselsteuer.
Die Klimaziele und das Wirtschaftswachstum unter einen Hut zu bringen, wird jedenfalls eine Herkulesaufgabe. Denn wenn der Wirtschaftsmotor brummt, stöhnt die Umwelt. Die größten CO2-Einsparungen der vergangenen Jahre gab es in Österreich im Zuge der Wirtschaftskrise im Jahr 2008. Umgekehrt sind die Industrie-Emissionen in den vergangenen, wirtschaftsstarken Jahren wieder deutlich gestiegen. Bisher ist es kaum einem Land in der EU gelungen, Wirtschaftswachstum und Emissionen voneinander zu entkoppeln.
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Wissen~Im Zuge der Effort Sharing Regulation (Lastenteilungsverordnung, Anm.) haben sich die EU-Staaten verpflichtet, bis 2030 EU-weit 30 Prozent der Treibhausgase gegenüber 2005 einzusparen. Die Verordnung basiert auf dem Pariser Klimaabkommen, die Erderwärmung bis 2050 auf zwei Grad Celsius zu drosseln. Je nach Wirtschaftsleistung und Ist-Zustand, gelten für die einzelnen Länder bis 2030 unterschiedliche Ziele. Österreich muss 36 Prozent einsparen, Luxemburg 40 Prozent. Wer die Vorgaben verfehlt, muss von einem anderen EU-Staat, der seine Ziele übererfüllt hat, bilateral CO2-Zertifikate zukaufen. Das Geld dafür muss der Bund aufbringen, es fließt in die jeweiligen Länderbudgets. Es darf aber nur für Klimamaßnahmen ausgegeben werden.