Überangebot an CO2-Zertifikaten. | Umweltschützer sehen zu wenig Druck für Umrüstung. | Wien. Weniger Produktion bedeutet weniger CO2-Ausstoß. Die Europäische Union hat sich mit den internationalen Kyoto-Zielen verpflichtet, in den Jahren 2008 bis 2012 (auf dem Basiswert 1990) ihren Kohlendioxid-Auspuff um acht Prozent zu reduzieren. Damit wurde die Obergrenze der Emissionen gedeckelt.
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Eine gewisse Treibhausgas-Quote ist der Industrie gratis zugebilligt worden. Dort, wo mehr CO2 verbraucht wird, müssen Zertifikate zugekauft werden, die zu einem Ausstoß innerhalb der EU-Klimaziele berechtigen. Eine Tonne CO2 kostete Anfang 2008 um die 30 Euro. Mitte 2008 kam ein rapider Preisverfall: Die Rezession machte sich bemerkbar. Die aktuellen Daten der EU-27 zeigen, dass 2009 der CO2-Ausstoß in der EU um 11,2 Prozent zurückgegangen ist. Als die größten CO2-Einsparer aufgrund der Rezession taten sich Estland, Rumänien, Belgien, die Slowakei, Spanien und Italien hervor.
Die Zertifikatspreise rasseln in den Keller: Gestern, Donnerstag, musste man für eine Tonne CO2 nur noch knapp 13 Euro zahlen. Der Anreiz für die Unternehmen, CO2 einzusparen, scheint sich damit in Rauch aufzulösen.
"Es gibt derzeit ein dramatisches Überangebot an CO2-Zertifikaten am europäischen Markt", erklärt Eric Heymann, Umweltanalyst von der Deutschen Bank. Trotzdem habe der Emissionshandel nicht versagt. Denn einerseits werden die Preise wieder ansteigen, andererseits kann man die Zertifikate als Erlaubnis, mehr CO2 auszustoßen, inzwischen in die nächste Periode mitnehmen. Sprich: Die EU hat bereits klargemacht, dass 2013 neue Klimaziele gesteckt werden. Wenn die Europäische Union diesen Weg ohne internationale Partner beschreiten wird, wird sie als neues Ziel minus 20 Prozent CO2-Ausstoß vorgeben. Wenn man sich mit China und den USA einigen kann, werden es ab 2013 minus 30 Prozent CO2-Verbrauch sein. Je nachdem werden sich die Preise für die Zertifikate entwickeln. "Ich kann mir vorstellen, dass Unternehmen, die wissen, dass sie expandieren werden, jetzt Emissionsrechte für die Zeit nach 2013 kaufen. Das wäre eine gute Gelegenheit", sagt Heymann. Eine Nachjustierung am Zertifikatemarkt - etwa den Unternehmen ihre Gratis-Quote zu beschneiden - hält er nicht für sinnvoll: "Die Rezession hat denen bereits genug Geld gekostet. Zudem ist es doch vor allem wichtig, dass das ökologisch angestrebte Ziel erreicht wird und die Emissionen sich um acht Prozent verringert haben", so Heymann im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Zukünftiger Preis hängt am Kyoto-Nachfolger
Anders sieht es Manuel Graf, Klimasprecher der Umweltschutzorganisation Global 2000: "Der Emissionshandel funktioniert nicht, weil der Industrie nun der Anreiz fehlt, weniger CO2 auszustoßen."
Wie es nach dem Auslaufen der Kyoto-Ziele im Jahr 2012 weitergeht, sei derzeit noch völlig offen. Zwar wurden am Mittwoch die Endergebnisse des Klimagipfels in Kopenhagen von der UNO vorgelegt - diese sind aber völlig unverbindlich. Unter den 75 Ländern haben auch China und die USA sich zu Zugeständnissen bereiterklärt. Wie diese aussehen werden, hängt unter anderem von den nationalen Gesetzen, insbesondere in den USA, ab.
Die Zeit drängt aber, um noch vor 2012 einen Kyoto-Nachfolger auf die Beine zu stellen. "Die allerletzte Chance ist die nächste UNO Klimakonferenz in Mexiko Ende 2010", so Graf.
Derzeit herrscht Stillstand bei der Eindämmung der Treibhausgase: Keine Nation will sich als erste bewegen, da die Industrie eine Beschränkung der Treibhausgase als Wettbewerbsnachteil sieht. Viel hängt an der USA - diese wiederum pocht darauf, dass große Klimasünder wie China und Indien mitziehen.
Obama erlaubt Bohrung für Klimaschutzgesetz
In den vergangenen Monaten war das US-Klimaschutzgesetz in den Hintergrund geraten, überschattet von der Debatte über die Gesundheitsreform. Nun nimmt US-Präsident Barack Obama offenbar den Klimaschutz in Angriff. Um dem Gesetz noch vor den anstehenden Zwischenwahlen zum Kongress eine Chance zu geben, müssten es die Demokraten vor der Sommerpause einbringen.
Experten gehen davon aus, dass Obama mit dem vorgestrigen Zugeständnis zu Ölbohrungen vor den Küsten der USA Republikaner für sein Klimagesetz gewinnen will. "Obama erhöht damit den Druck, das im Senat stockende Klimagesetz zu verabschieden", sagt Arne Jungjohann, Klimaexperte in Washington. Vom umfassenden Emissionshandel, wie er im Herbst geplant war, wird aber nur eine abgespeckte Version übrig bleiben, so die "Washington Post".