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Treibstoff? "Das Thema Umwelt ist dann abgehakt"

Von Bernd Vasari

Wirtschaft
Ryanair? "Wir haben keinen Grund uns zu fürchten", sagt AUA-Chefin Annette Mann.
© Austrian Airlines/Martin Krachler

AUA-Chefin Annette Mann über grünen Sprit, Billigflieger und die Aussicht auf schwarze Zahlen.


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"Wiener Zeitung": Frau Mann, bis zu welcher Distanz ist es absurd mit dem Flugzeug zu fliegen?

Annette Mann: Das ist eine Frage der Alternative. Manchmal ist die Distanz gar nicht groß, aber das Ziel kann nur sehr umständlich mit anderen Verkehrsmitteln erreicht werden. Und manchmal ist die Distanz groß, aber gut erreichbar, mit einer schnellen Zugverbindung. Ich glaube daher nicht, dass es pauschale Grenzen gibt.

Der Flieger von Wien nach Linz wurde eingestellt zugunsten der Bahn. Wann folgen Graz, Klagenfurt, Budapest und Prag?

Im Staatshilfepaket vereinbarten wir die Streichung von Flügen, sobald die gleiche Strecke mit der Bahn in deutlich unter drei Stunden erreicht werden kann und der Semmering-Basistunnel fertiggestellt ist. Es ist aber ein Irrglaube, dass dann alles nachhaltiger wird. Vor allem bisherige Flugumsteiger werden nicht automatisch die Bahn nehmen. Sie fliegen dann auch über andere Flughäfen oder fahren mit dem Auto.

Die AUA setzt auf Tickets, die Flug und Bahn verbinden. Welche Destinationen bieten Sie an?

Man kommt mit dem Airrail-Ticket in die unterschiedlichsten Ecken Österreichs. Die Deutsche Bahn ist inzwischen sogar Star Alliance Mitglied, also Teil der Airline Allianz. Wir sind also keine Bahngegner, sondern arbeiten aktiv an besserer Zusammenarbeit.

Wie sieht es mit Prag und Budapest aus?

Da gibt es Schwierigkeiten beim länderübergreifenden Ticketverkauf. Hier muss die Bahn ein paar Hausaufgaben machen und dann sind wir gerne dabei.

Klimawandel, Energie- und Mobilitätswende: Kann man ohne schlechtes Gewissen fliegen?

Wir können heute noch nicht alle Flüge 100-prozentig CO2-neutral gestalten. Denn so viel nachhaltigen Treibstoff gibt es noch nicht auf der Welt. Aber wir fangen an. Passagiere können beim Ticketkauf bereits entscheiden, ob all der Sprit nachhaltig ist, den sie bei ihrem Flug verbrauchen.

Wie funktioniert das?

Wir rechnen den Anteil aus, wieviel jeder Passagier an Kerosin auf der Strecke verbraucht. Wenn sie zu 100 Prozent mit grünem Sprit fliegen wollen, zahlen sie einen Aufpreis und wir garantieren ihnen, dass wir diese Menge einkaufen und unserem Kerosin beimischen. Für Firmenkunden bieten wir Zertifikate an, die Firmen bis zum Wirtschaftsprüfer weitergeben können, um nachzuweisen, dass ihre Mitarbeiter CO2- neutral geflogen sind.

Woraus besteht grüner Sprit?

Es gibt zwei Sorten des sogenannten Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF. Zum einen Biomasse. Es handelt sich dabei beispielsweise um gebrauchtes Speisefett, etwa altes Schnitzelfett. Das aus Pflanzen entstandene Fett wird zu Kerosin umgewandelt und in die Flieger getankt. Am Ende stößt der Flieger nur jenes CO2 aus, das vorher von Pflanzen aufgenommen wurde, es entsteht also ein Kreislauf. Man kann CO2 aber auch aus der Luft saugen und mittels erneuerbarer Energie zu sogenannten E-Fuels umwandeln. Da stehen wir aber noch am Anfang. Für uns ist wichtig, dass nichts extra angebaut wird und somit nicht in Konkurrenz zu Lebensmitteln steht.

Wer kontrolliert, ob der Sprit tatsächlich grün ist?

Wir fordern Zertifikate ein, zum Beispiel von der OMV, das funktioniert sehr gut. Zwischen 2023 und 2030 werden wir von der OMV 800.000 Tonnen grünen Sprit aus gebrauchtem Speisefett kaufen. Das ist mehr als die AUA in einem Jahr verbraucht.

Ist das Umwelt-Thema damit abgehakt?

Ja, beim Treibstoff können wir das Umwelt-Thema dann abhaken. Wir schauen uns aber auch andere Technologien an, wie etwa Wasserstoffantrieb. Da sind wir im intensiven Austausch mit Airbus. Bis 2035 soll es das erste Wasserstoffflugzeug für 100 Passagiere geben, mit einer Reichweite von bis zu 2000 Kilometern. Es gibt jedoch zwei Haken: Wir müssen die Infrastruktur auf allen Flughäfen komplett umstellen. Zudem braucht Wasserstoff viel Platz im Flieger, vier Mal so viel Volumen wie Kerosin. Bei nachhaltigen Treibstoffen sind wir weiter. Wir glauben, dass SAF ab 2030 in nennenswerter Menge vorhanden sein werden.

Warum zahlen die Passagiere die Kosten für grünen Sprit und nicht die AUA?

Auf einer Strecke innerhalb Europas zahlt der Passagier momentan zirka 50 Euro extra - hin und zurück sind es im Schnitt um die 100 Euro. Der Passagier kann seinen individuellen Mix frei wählen und muss auch nicht auf 100 Prozent SAF setzen, wenn das zu teuer ist. Wenn wir das für jeden Passagier selbst zahlen würden, wären wir in Summe nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die Kerosinpreise sind dieses Jahr stark gestiegen. Gleichzeitig kündigte zuletzt Ryanair an, seinen Winterflugplan für Wien auf 70 Strecken auszubauen. Wie wollen Sie konkurrenzfähig bleiben?

Wir haben die Ticketpreise über den Sommer aufgrund der sehr hohen Kerosinkosten angehoben, im Winter wird es aber nach jetzigem Stand nicht noch teurer. Das mit Ryanair schauen wir uns an, wir sind derzeit aber sehr erfolgreich und haben keinen Grund, uns da zu fürchten. Im Sommer flogen wir 99 Prozent unserer geplanten Ziele an. Das unterscheidet uns von anderen Fluglinien, die sehr viel streichen mussten. Die durchschnittliche Auslastung lag deutlich über 90 Prozent. Nordamerika war über den Sommer ausgebucht. Auch der Herbst ist gut gebucht.

Sind weitere Destinationen geplant?

Da Ukraine und Russland wegfielen, haben wir unsere Strecken ans Mittelmeer ausgebaut, Marrakesch wieder im Programm aufgenommen und fliegen im Winter etwa Mauritius und die Malediven früher als üblich an. Auch in den Norden, etwa nach Tromsö, gibt es Direktflüge. Für weitere Ziele müssen wir erst einmal schauen, dass wir profitabel werden. Es ist trotz des erfolgreichen Sommers ein schwieriges Jahr nach dem schwachen Start durch Omikron und stark gestiegenen Kerosinpreisen.

Wie wollen Sie in die schwarzen Zahlen kommen?

Ich hoffe, dass wir im Winter nicht eine Rückkehr von Corona sehen. Wenn es wie im Sommer läuft und wir alle Flugzeuge in der Luft haben, dann sind wir in der Lage wieder Geld zu verdienen. Wir rechnen mit schwarzen Zahlen im kommenden Jahr.

In der Coronapandemie sind sehr viele Mitarbeiter gegangen...

...das war notwendig, weil wir das Unternehmen um 20 Prozent schrumpfen mussten. Wir haben das komplett sozialverträglich geschafft, wir mussten niemanden kündigen, die starke Fluktuation kam uns sehr entgegen...

...aber jetzt fehlen sie...

......nicht wirklich, weil wir ja auch 20 Prozent weniger Flugzeuge haben. Wir stellen da ein, wo jetzt durch natürliche Fluktuation Bedarf entsteht. Im Frühjahr stellten wir 200 Flugbegleiter ein. Wir trainieren aktuell neue Piloten für den nächsten Sommer. Aber klar, wir müssen schauen, dass wir ein attraktiver Arbeitgeber sind. Wir erlauben unseren Mitarbeitern, bis zu 30 Arbeitstage im Jahr irgendwo im europäischen Ausland zu arbeiten. Wir legen auch Wert darauf, dass man sich persönlich sieht. Grundsätzlich geben wir unseren Teams aber ganz viel Freiheit mit, Remote Office und flexible Arbeitszeiten sind für uns eine Selbstverständlichkeit.

Die Coronapandemie veränderte unsere Arbeitswelt, die sich in Richtung Videotelefonie bewegte. Wie stark wirkt sich das auf die Dienstreisen aus?

Die Geschäftsreisenden kommen zurück, da sehen wir einen deutlichen Trend. Es gibt anscheinend einen großen Nachholbedarf, dass sich die Menschen wieder persönlich treffen. Wir sind da sehr gut gebucht.

Hat sich nichts verändert?

Doch. Immer mehr Menschen arbeiten remote, da Firmen verstärkt Arbeitsverträge in ganz Europa vergeben. Die Mitarbeiter sind daher standardmäßig im Homeoffice. Treffen finden dann einmal im Monat etwa in Barcelona statt, das nächste Monat in Berlin. Das gab es vorher nicht.

Das heißt, es gibt sogar mehr Dienstreisen?

Es ist noch zu früh, das abschließend zu sagen.

Die Langstreckenflieger der AUA sind schon etwas älter. Gibt es Pläne neue anzuschaffen?

Irgendwann schon. Ich bin zuletzt mit einer 767 Langstrecke geflogen. Ich fand es wirklich gut. Das ist eine schöne Businessclass, jeder Platz hat Gangzugang. Die 767 ist ein Produkt, das sich nicht verstecken muss. Für den Kunden ist es nicht spürbar, dass das Flugzeug nicht mehr ganz neu ist. Für die Kurzstrecke kauften wir zuletzt vier fabrikneue Flugzeuge, zum ersten Mal seit 16 Jahren. Das erste von vier landete am Dienstag. Schauen wir mal, wie dieses und nächstes Jahr laufen und dann werden wir sehen, was wir uns noch so leisten können.

Ihr Vertrag läuft noch drei Jahre. Welche Ziele wollen Sie erreichen?

Die Vertragslaufzeit hat nichts zu sagen, ich persönlich bin auf Langstrecke eingestellt. Wir müssen die AUA wieder auf solide Beine stellen. Es wird digitaler. Wir werden investieren in Kundenservice, Erreichbarkeit, in besseres Service und Catering.