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Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn lobt den Lösungsansatz für Zypern.
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"Wiener Zeitung":Sie sagen, Jeroen Dijsselbloem, Präsident der Eurogruppe, ist Ihr neuer Held. Es geht um die Einbeziehung von Bankenkunden in die Rettung von Geldinstituten. Die Entscheidung für Zypern finden Sie also richtig?
Hans-Werner Sinn: Dijsselbloem hat richtigerweise den Kapitalmärkten klargemacht, dass das Geld nicht auf den Bäumen wächst, sondern dass die Investoren sich vorsehen müssen, wohin sie ihr Geld tragen. Das Risiko ist ja objektiv da. Man kann doch nicht fordern, dass es von Dritten - den Steuerzahlern und den noch gesunden Ländern - übernommen wird. Stattdessen müssen die Schuldner, die problematisch sind, hohe Zinsen zahlen, was sie wiederum davon abhält, sich noch mehr zu verschulden. Das ist der normale Marktmechanismus. Wenn wir den außer Kraft setzen würden, indem wir die Steuerzahler die Depositen zurückzahlen lassen, dann geht das immer so weiter.
Kann umgekehrt die Lösung für Zypern richtungsweisend für andere Länder sein?
Ja, und daher kann Dijsselbloem dafür gelobt werden, dass er die Kehrtwende geschafft hat. Der verhängnisvolle Trend zur Sozialisierung der Schulden ist gebrochen. Die EU-Kommission hingegen hat noch im Vorjahr gesagt, dass die Gläubigerbeteiligung auf 2018 verschoben werden sollte. Sie ist also davon ausgegangen, dass vorher das Geld anderweitig aufgebracht wird. Doch wir sprechen von Größenordnungen, die die Steuerzahler überfordern würden. Die Staaten der Krisenländer, inklusive Italien, haben zusammen eine Staatsschuld von 3500 Milliarden Euro. Die Banken dieser Länder haben eine Schuld von 9200 Milliarden Euro.
Wie lässt sich das System wieder stabilisieren?
Das Eurosystem hat bereits zu einem beklagenswerten Zustand geführt. Gefahrlos ist nichts mehr. Wir müssen nun die Risiken abwägen. Alles freizukaufen wäre extrem gefährlich für die Stabilität der europäischen Staaten geworden. Wenn private Gläubiger durch öffentliche ersetzt werden, wird das Problem nur verschoben. Das ist auch Basis für einen Riesenstreit in der Eurozone.
Den gibt es doch schon jetzt. Gerade Deutschland wird von einigen vorgeworfen, unsolidarisch zu sein.
Deutschland ist der größte Kreditgeber. Die Bundesbank allein hat für 600 Milliarden Euro Target-Kredite erteilt. Deutschland ist zu 27 Prozent an den Staatspapier-Käufen beteiligt und ebenso viel an den Rettungspaketen. Manche Kritik an den Entscheidungen der EU, die aus Bankenkreisen oder betroffenen Ländern kommen, klingt da so, als hätte Deutschland verhindert, dass der liebe Gott zu Hilfe kommt. Davon kann ja nicht die Rede sein.
Sie haben schon Griechenland nahegelegt, den Euroraum zu verlassen. Eine Verkleinerung der Eurozone - ist das Ihr Lösungsansatz?
Wir brauchen mehrere Reformen in der Eurozone. Es gibt dafür drei Wege - und alle drei sind schrecklich. Der erste ist die Senkung von Löhnen und Preisen durch Sparpolitik. Dafür muss man aber ein Land quetschen, und es passiert trotzdem wenig. Das zweite wäre, die Kernländer - wie Deutschland - zu inflationieren. Dann werden die anderen Länder billiger. Das wollen die Deutschen aber nicht. Die dritte Lösung ist der Austritt aus der Währungsunion, was für manche das Beste wäre. Eine reduzierte Eurozone wäre zu stabilisieren.
Der erste Weg wurde bereits eingeschlagen. Der Preis für die Sparpolitik ist nicht zuletzt eine so hohe Arbeitslosigkeit wie selten zuvor.
Noch dazu kann ein Staat nur über Sparprogramme nicht zur Abwertung gelangen. Und auch, wenn gewisse Sparmaßnahmen nötig sind, darf ein Land nicht daran zerbrechen. Es gibt keine einfachen Lösungen mehr, wir brauchen einen Mix daraus.
Zur Person
Hans-Werner Sinn
ist der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München. Der streitbare Ökonom spricht sich vehement gegen die Vergemeinschaftung von Bankschulden aus.