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Trendwechsel trotz Stillhalte-Politik - Beim Timing hat die SPÖ die Nase vorn

Von Walter Hämmerle

Analysen

Bereit sein, wenn es darauf ankommt: Dieses Motto gilt für die Politik wie für den Spitzensport gleichermaßen. Es bringt nichts, wenn man seine besten Leistungen nicht dann abrufen kann, wenn der Tag des Wettkampfs gekommen ist. Alles eine Frage des Timings eben.


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In dieser hohen Kunst der politischen Wettbewerbsfähigkeit hatte die SPÖ zuletzt meist die Nase vor der ÖVP: Bei den Nationalratswahlen 2006 war die ÖVP so von ihrem Sieg überzeugt, dass sie den Aufholprozess der Gusenbauer-SPÖ gar nicht wirklich realisierte; 2008 riskierte Wilhelm Molterer Neuwahlen, weil ihm die Umfragen Platz eins signalisierten - gewonnen hat schließlich Werner Faymann.

Und jetzt die Steiermark? Noch vor Monaten verhießen die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen hinterm Semmering und Stimmungstests den Schwarzen um Hermann Schützenhöfer die Rückeroberung des Landeshauptmannsessels. Doch der demoskopisch erhobene Vorsprung schmolz mit dem Näherrücken des Wahltermins am kommenden Sonntag dahin.

Mittlerweile geht man sogar im engsten Umfeld von Parteichef Josef Pröll ganz offen von einer Niederlage der steirischen Schwarzen aus. Nicht einmal mehr der ansonsten stets vor Wahlen - selbst bei solchen, bei denen die Niederlage so sicher ist wie das Amen im Gebet - obligatorisch zur Schau gestellte Zweckoptimismus wird noch bemüht. Dabei lässt die Schwankungsbreite der Umfragen nach wie vor Raum für eine Überraschung am Wahlabend.

Dennoch gelingt es der SPÖ momentan, ihr Tief der vergangenen Monate hinter sich zu lassen. Welchen Anteil dabei die rote Strategie hat, auf einen angesichts der anstehenden Bewältigung der Budgetsanierung vermehrt linkspopulistischen Kurs zu setzen, lässt sich vorerst noch schwer beantworten.

Zweifelsfrei profitiert die Kanzlerpartei von der anhaltenden Schwäche der Opposition, insbesondere von FPÖ und Grünen, die - wenngleich von verschiedenen Ecken kommend - ansonsten am SPÖ-Wählerpotenzial knabbern (das BZÖ ist in den Umfragen seit Haiders Tod am Boden).

Der Stimmungsschwenk in der Steiermark zugunsten der SPÖ hat also einen wesentlichen bundespolitischen Aspekt. Daran ändert nichts, dass sich beide Koalitionsparteien vor den Herbstwahlen zu einem sachpolitischen Stillhalte-Abkommen vergattert haben. An politischen Absichtserklärungen haben es aber weder SPÖ noch ÖVP in den letzten Tagen fehlen lassen, ganz im Gegenteil sogar. Nicht nur Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie, für die Politik dürfte das in noch sehr viel größerem Ausmaß zutreffen.

Wahrscheinlich ist nur so zu erklären, dass in der Steiermark sowohl SPÖ als auch ÖVP auf jegliche Inhalte verzichten. Mangels alternativer Maßstäbe sind die Wähler deshalb gezwungen, anhand vager Kompetenz- und Sympathievermutungen ein Urteil zu sprechen.