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Die Mühen des Alltages für einen behinderten Menschen sind für gesunde Zeitgenossen kaum nachzuvollziehen. Eine zugefallene Türe kann für einen Rollstuhlfahrer zu einem unüberwindbaren Hindernis werden. Partner-Hunde erkennen frühzeitig die Situation und helfen ihrem Schützling.
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Sehr oft saß Maria alleine in einer der hintersten Sitzreihen im Klassenzimmer. Sie war gehbehindert und aus diesem Grund in der Klasse eine Außenseiterin. Selten sprachen oder spielten die anderen Mädchen und Buben mit ihr. Maria vereinsamte. Ihre Eltern suchten nach einer Lösung und brachten den Golden Retriever "Dusty", eine Hündin, die eine Ausbildung als Partner-Hund erhalten hatte, nach Hause. Maria und "Dusty" wurden unzertrennliche Freunde. Endlich hatte das Mädchen eine Freundin die 24 Stunden auf sie aufpasst. Sogar in die Schule durfte Maria die liebenswerte Hündin mitnehmen und "Dusty" begeisterte die ganze Klasse. Gemeinsam mit dem Partner-Hund gelang es dem Mädchen, sich trotz seiner Behinderung behutsam von den Eltern zu lösen und in einem bestimmten Rahmen eigene Aktivitäten zu setzen.
Wie alles begann
Doch speziell ausgebildete Hunde für Menschen mit besonderen Bedürfnissen gäbe es in Österreich ohne die Salzburgerin Elisabeth Färbinger gar nicht. Sie hat im Jahre 1990 gemeinsam mit Sponsoren, wie Anna Mayr Melnhof den Verein Partner-Hunde Österreich/Assistance Dogs Europe gegründet. Selbstverständlich braucht man, um Hunde fachgerecht ausbilden zu können, spezielle Qualifikationen, die sich Elisabeth Färbinger in den Vereinigten Staaten aneignete. Seminare zu diesem Thema werden außer in den USA auch in den Niederlanden und in Italien abgehalten.
Die Salzburgerin hat seit frühester Kindheit einen Nahbezug zu Tieren. "Hunde, Katzen, Pferde waren seit frühester Kindheit für mich faszinierend und zogen mein Interesse an, wie ein Magnet. Denn in der Nähe von Tieren fühlte ich mich sehr glücklich, kein Pferd war mir zu groß, kein Hund bellte zu laut oder benahm sich zu ungestüm. Auch vor Kuhherden hatte ich keine Angst, alle wollte ich streicheln," erzählt Elisabeth Färbinger.
Die ersten 14 Jahre ihres Lebens verbrachte sie in Wien und am Anfang war außer Goldfischen oder Kleintieren, wie Meerschweinchen oder Hamstern kein anderes Tier im elterlichen Haushalt möglich. Doch die Sehnsucht nach einem eigenen Hund beflügelte die junge Dame und sie ließ keine Gelegenheit aus, um auf Nachbarhunde aufzupassen.
Dann gaben die Eltern endlich nach und Elisabeth durfte sich den ersten Hund aussuchen: Die Wahl fiel auf Lea, eine Golden Retriever Hündin, zu jener Zeit der 43. Golden Retriever in Österreich. Mit "Lea" lernte Elisabeth Färbinger die Grundkenntnisse und den richtigen Umgang mit Hunden. Ab diesem Zeitpunkt wusste sie, das sie einen Beruf wählen würde, der mit der Ausbildung und Abrichtung von Hunden zu tun hat.
Die Ausbildung der Assistance-Dogs in den USA, der Besuch diesbezüglicher Schulen sowie die Erfahrungen mit Rollstuhlfahrern und ihren Vierbeinern ließen in Elisabeth Färbinger den Wunsch reifen, eine derartige Hundeausbildung speziell für behinderte Menschen auch in Österreich anzubieten. Hunde können nicht nur die besten Freunde des Menschen sein, sondern auch treue Helfer und Beschützer gelähmter, gehörloser sowie geistig und mehrfach behinderter Menschen.
Wie wird ein Hund ein Partner-Hund
Eine sehr wichtige Bedingung für die erfolgreiche Ausbildung eines Partner-Hundes sind Gastfamilien, die bereit sind, einen Golden- oder Labrador Retriever in ihr Familienleben aufzunehmen. Das Einbeziehen des Welpen in alle Aktivitäten der Familie ist für die Entwicklung des Tieres besonders wichtig. Ob es sich um Spaziergänge, Einkäufe, Ausflüge oder einfach nur um Tage handelt, die im trauten Heim verbracht werden, für die Entwicklung des Hundes ist es sehr positiv, überall dabei zu sein. Der Hund entwickelt sich so zum vollwertigen Familienmitglied, dem man Liebe ebenso wie Geduld und Vertrauen entgegenbringt.
Nach der Rückkehr des Hundes von der Gastfamilie auf den Hundehof beginnt das Spezialtraining. Elisabeth Färbinger und ihre Kollegin Nannerl Wenger, die seit 1996 auch Leiterin des Vereins Partner-Hunde ist, bereiten die Hunde auf die Bedürfnisse jenes Menschen vor, mit dem der Hund später zusammenleben wird.
Die Hunde lernen Türen zu öffnen, Lichtschalter zu betätigen oder auch Dinge wie beispielsweise Schlüssel zuzureichen sowie eine Reihe anderer Fertigkeiten, um behinderten Menschen den Alltag zu erleichtern. Außerdem vermittelt der Partner-Hund "seinem" Menschen Tag und Nacht Sicherheit.
Wenn das Spezialtraining für die Partner-Hunde abgeschlossen ist, findet die Einschulung der Kandidaten statt, die meist aus Gruppen zwischen vier und sechs Personen bestehen.
In einem konzentrierten 14-tägigen Seminar lernen Menschen mit besonderen Bedürfnissen den richtigen Umgang mit den Tieren ihres Vertrauens. Am Ende dieser Ausbildung müssen die Kandidaten mit ihren Hunden eine Abschlussprüfung vor einer unabhängigen Kommission bestehen, ehe ihnen ihr Partner-Hund übergeben wird. Bei behinderten Menschen und vor allem bei Kindern werden die Hunde in Therapieübungen miteinbezogen, um die Motivation zu steigern.
Mehr Lebensqualität und Selbstständigkeit
Der gemeinnützige Verein Partner-Hunde Österreich verfolgt sein Ziel, spezielle Hunde für behinderte Menschen auszubilden, um diesen mit Hilfe der Tiere mehr Selbstständigkeit ebenso wie Lebensqualität zu schenken. Doch Menschen mit besonderen Bedürfnissen sind mit einem Partner-Hund in der Lage den Grad ihrer Mobilität sowie Unabhängigkeit zu steigern. Damit verbessert sich auch die Möglichkeit der Eingliederung in die Gesellschaft und der Dialog zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen wird verbessert, in vielen Fällen überhaupt erst ermöglicht.
Der physische Zustand der Betroffenen verbessert sich, da Ausdauer und Kondition gesteigert werden und damit erfolgt auch eine Optimierung der Lebensfreude. Es gibt oft kein schöneres Glücksgefühl für einen jungen Menschen im Rollstuhl, als seinem Golden Retriever über das weiche Fell zu streicheln und in ein treuherziges Paar Hundeaugen zu blicken. Die vierbeinigen Zeitgenossen stehen rund um die Uhr "ihren Menschen" zu Verfügung.
Eine der wichtigsten Ziele des Vereines Partner-Hunde Österreich ist es, durchzusetzen, dass Partner-Hunde in Rehabilitationszentren und Krankenhäuser mitgenommen werden dürfen. Die Partner mit der "kalten Schnauze" verbessern die alltäglichen Lebensbedingungen behinderter Menschen schließlich ganz erheblich.