EU-Wirtschaft ist auf Talfahrt. | Rekordinflation höher als erwartet. | Kritische Quartalszahlen für große EU-Länder. | Brüssel. Es sieht nicht gut aus: Das Wirtschaftswachstum in der EU wird heuer deutlich geringer ausfallen als erwartet. Die Inflation schnalzt dafür auch im Jahresschnitt kräftig in die Höhe. In drei großen EU-Ländern erwartet Brüssel eine Rezession.
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"Düstere Aussichten für die europäischen Volkswirtschaften", fasste Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia die jüngste Prognose der EU-Kommission am Mittwoch zusammen. "Die globale wirtschaftliche Situation und die Aussichten bleiben ungewöhnlich unsicher."
So kürzten die Brüsseler Experten ihre Erwartungen für das Wachstum der Eurozone von 1,7 auf 1,3 Prozent gegenüber der letzten Schätzung im April. Nach einem Schrumpfen der Wirtschaft im zweiten Quartal wartet für die zweite Jahreshälfte eine Stagnation des Wachstums.
"Wir sind unten angelangt", kommentierte Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Mit einer prognostizierten Rekordinflation von 3,6 Prozent im Jahresabstand liegt die Eurozone heuer zudem fernab von jenen zwei Prozent, die laut EZB Preisstabilität bedeuten. Im Frühjahr waren schon alle Alarmglocken geschrillt, als noch mit 0,5 Prozentpunkten weniger Geldentwertung gerechnet worden war.
Die gesamte EU kommt mit 1,4 statt zwei Prozent Wirtschaftswachstum und 3,8 Prozent Inflation nicht besser weg.
Gründe für das Dilemma sieht Almunia vor allem in den hohen Öl- und Rohstoffpreisen, der anhaltenden Finanzmarktkrise und zum Teil katastrophalen Entwicklungen auf den Immobilienmärkten einiger Länder. Schwindendes Verbrauchervertrauen, erhöhte Kapitalkosten und die Inflation bremsten zudem die Binnennachfrage.
Hart an der Rezession
Dabei dürfte die Eurozone knapp an der Rezession vorbeischrammen. Es handle sich um einen Abschwung, meinte der Luxemburger Vorsitzende der Eurogruppen-Finanzminister, Jean-Claude Juncker.
Wenig optimistisch sind die Brüsseler Beamten für Deutschland, das mit einem erneuten Minus im laufenden Quartal beim Wirtschaftswachstum die Definition der Volkswirte für eine Rezession erfüllt. Für Spanien und Großbritannien gilt dasselbe für die letzten beiden Quartale des heurigen Jahres. In beiden soll die Wirtschaftsleistung zurückgehen, sie seien überdurchschnittlich stark von der Krise auf den Immobilienmärkten betroffen. Für die Deutschen zeichne sich dagegen im letzten Vierteljahr wieder eine leise Erholung ab, heißt es im Bericht der EU-Kommission. Die Basisdaten der deutschen Wirtschaft seien eigentlich "weiter solide", meint Almunia. Am Ende könnten sich heuer noch 1,8 Prozent Wachstum ausgehen.
Auch für die Eurozone als Ganzes sieht die Kommission eine leichte Entspannung der Lage gegen Ende des Jahres. Trichet redete dagegen von einer anhaltend hohen Inflation. Wohl erst 2009 werde es wie beim Wachstum eine allmähliche Besserung geben.
Juncker urgierte indes angesichts der hohen Geldentwertung Maßnahmen für die Bevölkerungsgruppen mit den niedrigsten Einkommen, die am meisten betroffen seien. Beim Treffen der EU-Finanzminister in Nizza ab morgen, Freitag, solle neben der Krise auf den Finanzmärkten auch darüber gesprochen werden.