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Triefende Dauer-Betroffenheit

Von Manfred A. Schmid

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Was in den ORF-Magazinsendungen Barbara Stöckl und Vera Russwurm sind, das ist Friedrich Ortner für die Auslandsberichterstattung: der Delegierte für allgemeine und besondere Betroffenheit. In Krisenregionen stationiert zu sein, gehört gewiss zu den heikelsten Missionen eines Auslandskorrespondenten, muss man doch jederzeit mit einem Kriegausbruch rechnen, was am Balkan in den letzten zehn Jahren leider häufig der Fall war. Dass nun aber mit Ortners Nachfolger, Christian Wehrschütz, eine etwas sachlichere Note in die übermittelten Berichte und Kommentare Einzug gehalten hat, nimmt man dankbar zur Kenntnis. Die Attitüde der triefenden Dauer-Betroffenheit - auch in Tonfall, Sprache und Mienenspiel - führt nämlich unweigerlich zur Abstumpfung. "Sie können sich Ihre Betroffenheit in den . . . schieben", empfahl einst Peter Handke bei einer Publikumsdiskussion im Akademietheater dem Kriegsberichterstatter einer österreichischen Illustrierten. Das war zwar grob, aber nicht ganz falsch.

Als Krisenregion gilt seit Jahrzehnten auch der Nahe Osten. Gewöhnlich werden die ORF-Hörer und -Seher über die Chronik der laufenden Ereignisse kompetent vom dort ansässigen Korrespondenten Ben Segenreich informiert. Derzeit ist dort aber Horst Kimbacher im Einsatz. Er verkörpert das, was in der Riege der österreichischen Auslandskorrespondenten dem Bild eines Kriegsberichterstatters am nächsten kommt. Meist tritt er vor die Kamera, als ob er gerade einem Jeep entstiegen oder einem Kugelhagel entkommen wäre - mit leicht verwegenem Gesichtsausdruck und für gewöhnlich in khakifarbener Buschkleidung gewandet. Und dennoch bleibt er in seinen Analysen stets objektiv und emotionslos und erweckt so nie den fatalen Eindruck, Interessenspartei zu sein oder gar Gefühle hochschaukeln zu wollen.