Ein halbes Jahr nach der EU-Osterweiterung feiert Triest seine Wiedervereinigung mit Italien - so groß wie nie zuvor. Zahlreiche Festveranstaltungen erinnerten am gestrigen Dienstag an die Ereignisse vor 50 Jahren, als die Stadt an Italien übergeben wurde, während Istrien Jugoslawien zugesprochen wurde. Doch viel mehr als von seiner "italianità" kann Triest mittlerweile von Mitteleuropa profitieren.
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Aus ganz Italien kamen sie angeknattert. Und selbst auf die Mole, die von der zum Meer offenen Piazza dell'Unita weggeht, verirrten sich einige. Hunderte Vespafahrer kamen an diesem Wochenende nach Triest, um sich zu einer Hellebarde, dem Symbol der Stadt, zu formieren und an eine ähnliche Demonstratiion vor 50 Jahren zu erinnern. Damals begrüßten an die tausend Menschen auf ihren Vespas die Wiedervereinigung der Stadt mit der Republik Italien.
Wenige Jahre zuvor hatten jugoslawische Partisanen Triest von den deutschen Besatzern befreit. In Absprache mit den Alliierten verließen sie jedoch kurz darauf die Stadt, ohne den Anspruch auf sie aufzugeben. 1947 wurde Triest, das nach dem I. Weltkrieg gemeinsam mit Istrien und Ostfriaul zu Italien gekommen war, ein Freistaat unter UN-Aufsicht. Zone A (Triest und Umgebung) stand unter britisch-amerikanischer Verwaltung, Zone B (Istrien) wurde von Jugoslawien verwaltet. Eine rote Flagge mit einer weißen Hellebarde wehte über der Stadt. Doch ihr Status blieb umstritten. Nach zähen Verhandlungen zwischen Washington, London, Paris, Rom und Belgrad legte 1954 das Londoner Memorandum über die "Triest-Frage" fest, dass Zone A an Italien und Zone B an Jugoslawien übergeben wird - was am 26. Oktober geschah.
50 Jahre später wird die Wiedervereinigung groß gefeiert wie nie zuvor, mit Umzügen, Militärparaden, Reden, Ausstellungen und Zeitungssonderausgaben. Die "Pace"-Fahnen in Regenbogenfarben, die an einigen Fenstern weiter zu sehen sind, werden von den grün-weiß-roten Staatsflaggen in den Hintergrund gedrängt. Doch mehr als von seiner italienischen Attitüde kann Triest mittlerweile von Mitteleuropa profitieren.
Jahrzehntelang lag die Stadt, einst einer der wichtigsten Häfen der k.u.k-Habsburgermonarchie und multikulturell wie diese, im toten Winkel. Umklammert von Jugoslawien, eingezwängt zwischen Slowenien und Kroatien, schwand ihre Macht. Doch nach dem Zerfall Jugoslawiens und dem EU-Beitritt Sloweniens steigt ihre Bedeutung wieder. Auf der neu gebauten Autobahn ist die Stadt eine Stunde von Laibach entfernt; nicht einmal 500 Kilometer sind es nach Budapest, Wien, München und Zürich. Ihre Brückenfunktion möchte sie nun ausnützen. Als Tor zu Mittel- und Osteuropa möchte sie der frühere Bürgermeister und jetzige Regionspräsident Riccardo Illy, der auch die Expansion seines Kaffeeimperiums vorantrieb, positionieren. Und es scheint zu gelingen: Jüngst nahm das Magazin
"Time" Triest in die Liste der geheimen europäischen Hauptstädte auf - nicht groß, aber clever.
Der wirtschaftliche Aufschwung zeigt sich nicht zuletzt im Hafen. Das Volumen des dort abgewickelten Handels stieg von 3,3 Millionen Tonnen im Jahr 1998 auf 5,4 Millionen Tonnen 2002. Zwar verschiffen große Häfen fünfzehn Mal so viel, doch Grund zur Klage ist dies nicht. Triest bleibt bei seinen Bemühungen, eine größere Rolle auf der internationalen Bühne zu übernehmen. So hat es sich um die Expo 2008 beworben. Gemeinsam mit Saragossa und Thessaloniki ist es auch in die Endausscheidung gekommen. Die Entscheidung fällt im Dezember.