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"Trifft Mittelstand erst recht"

Von Clemens Neuhold

Politik

Steuerreform: Statt Vermögen und Erbschaften sollen nur Dividenden höher besteuert werden.


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Wien. Der Gordische Knoten für eine Steuerreform könnte durchschlagend sein: Die SPÖ verzichtet dem Vernehmen nach nicht nur auf eine Vermögenssteuer, sondern auch auf eine Erbschaftssteuer. Dafür steigt die Kapitalertragssteuer auf Dividenden von 25 auf 30 Prozent. Auch ein neuer Spitzensteuersatz von 60 Prozent wird ventiliert, allerdings erst ab Einkommen über einer Million.

Damit die Steuern auf Arbeit um fünf Milliarden gesenkt werden können, hatte die SPÖ stets einen höheren Beitrag der Reichen verlangt - als "Gegenfinanzierung". Die ÖVP sagte Njet. Nun "bekommt" die SPÖ, wie es aussieht, nur die Dividenden-KESt und einen Reichen-Solidarbeitrag als Kompensation.

Schwarzer Homerun

Die ÖVP wäre der große Gewinner dieses Deals, sie kann sich rühmen, beide roten Steuerhämmer abgewehrt zu haben. Die höhere Dividendensteuer wäre der vergleichsweise geringe Preis.

Ordentlich Federn lassen würde die SPÖ. Denn erstens bringt die höhere Dividenden-KESt einen Bruchteil einer Vermögens- und Erbschaftssteuer. Zweitens ist die versprochene Umverteilung von Reichen hin zu niedrigeren Einkommen viel geringer.

Zum Aufkommen: Vermögens- und Erbschaftssteuer hätten laut SPÖ-Rechnung bis zu zwei Milliarden gebracht. Fünf Prozentpunkte mehr bei der Dividenden-KESt brächten bei Gesamteinnahmen von 1,6 Milliarden im Jahr 2014 hingegen nur 300 Millionen, schätzt Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller. Allerdings kann sich das nach oben verschieben, wenn die Wirtschaft wieder stärker wächst und die Gewinne und Dividenden der Unternehmer anziehen.

Zur Umverteilung: Darum ging es der SPÖ bei der gesamten Steuerreform: Arbeit entlasten, mit einem höheren Beitrag der Reichen. Die KESt geht als klassische Millionärssteuer aber nicht durch. Die "großen" Vermögenssteuern der Roten hätten nämlich erst ab einer Million gegriffen. Die Dividenden-KESt greift sofort, für alle, an die Dividenden von Unternehmen ausgeschüttet werden.

Inklusive Investmentfonds halten zwar nur rund 12 Prozent der Österreicher Wertpapiere, und die sind nicht die ärmsten - sie sind aber auch nicht immer "superreich". Die Sprecherin der Wiener Börse befürchtet einen weiteren Rückgang des Aktienbesitzes und der privaten Vorsorge durch die höhere Steuer.

Kleinanleger-Vertreter Wilhelm Rasinger rechnet hingegen mit keinen großen Ausweicheffekten auf andere Börsen. Die höhere KESt auf Dividenden wäre zwar ein Schlag auf jene, die heimischen Börsenfirmen treu seien. "Die anderen Pillen wären aber noch viel bitterer gewesen", zeigt er sich erleichtert, dass die roten Reichensteuern nicht kommen.

Auch Unternehmer-Steuer

"Das wäre keine Reichensteuer. Sie trifft den Mittelstand erst recht", sagt Steuerberater Hannes Saghy zur Dividenden-KESt. Er hat sich auf Klein- und Mittelbetriebe spezialisiert und weist darauf hin, dass die Erhöhung auch jene träfe, die Anteile an einer GmbH besitzen und Ausschüttungen lukrieren.

"Kapital höher zu besteuern, ist nicht besonders wachstumsfreundlich", sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS). "Wenn man unbedingt eine vermögensbezogene Steuer möchte, wäre es ökonomisch besser gewesen, die Grundsteuer anzuheben", sagt Hofer. Die Grundsteuer geht aber an die Gemeinden. Deswegen war bei der Steuerreform offiziell keine Rede davon.

Der ventilierte Spitzensteuersatz von 60 Prozent ab einer Million wäre nur eine symbolische "Millionärssteuer". Laut Statistik Austria liegen nur rund 400 Personen drüber, die Einnahmen dürften im Bereich von 50 Million Euro liegen. Hofer gibt zu bedenken, dass sich Österreich in internationalen Rankings dann schlagartig mit einem viel höheren Spitzensteuersatz findet, was Spitzenkräfte und Investoren abschrecken könnte.

Fazit: Eine höhere Dividendensteuer scheint verkraftbar - weil sie dem Ziel dient, die Lohnsteuern zu senken. Sie trifft aber auch den Mittelstand und bringt viel zu wenig, um die geringere Lohnsteuer zu kompensieren. So steigt der Druck aufs Sparen - und das trifft wieder den Mittelstand.