Nicht mehr das Wettrüsten steht als größte Bedrohung im Vordergrund, sondern Klimawandel, Artensterben und soziale Verwerfungen.
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Am 15. Juni, einen Tag nach dem Nato-Gipfel in Brüssel, kommt US-Präsident Joe Biden mit EU-Spitzenvertretern zusammen, am 16. Juni trifft er in Genf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Genau 60 Jahre ist ein anderes Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter der zwei damaligen Supermächte, US-Präsident John F. Kennedy und Sowjet-Regierungschef Nikita Chruschtschow, her. Die beiden kamen am 3. und 4. Juni 1961 vor dem Hintergrund zunehmender Spannungen in Wien zusammen. Im Bewusstwerden der Möglichkeiten und Grenzen des jeweils anderen stellte dieses Treffen die Weichen für den Umgang miteinander: Respekt durch Abschreckung.
Der Kalte Krieg ist vorüber. Eine eskalierende Spirale von Nadelstichen, Interventionen, Provokationen und Sanktionen zeigt den Verlust des Respekts als auch der gemeinsamen Sprache, aber auch die Notwendigkeit, diese Dynamik aus Entfremdung und Ratlosigkeit zu durchbrechen. Die Bildung einer neuen Weltordnung vollzieht sich als dynamischer Prozesses im Wettstreit der Interessen. Doch nicht mehr das Wettrüsten steht als größte Bedrohung im Vordergrund, sondern Klimawandel und Artensterben einerseits sowie soziale Verwerfungen im Zuge der Modernisierung in Wirtschaft und Technologie andererseits. Die neue Weltordnung vollzieht sich also in einem alle betreffenden globalen Rahmen, und das Spiel der Interessen kann nur innerhalb desselben stattfinden.
Die Menschen dies- und jenseits des Atlantiks wollen vor allem, dass die Zukunft des Lebens auf unserem Planeten gesichert ist und sie persönlich ein geordnetes Leben führen können im Rahmen jener Ideale, die sie als Gesellschaft für sich als richtig befunden haben. Dies bedeutet Grenzen und zugleich den Dialog der Identitäten über Grenzen hinweg.
Die USA haben die Grenzen einer Supermacht erlebt, Russland ist keine Regionalmacht, und Europa ist mehr als nur eine "Soft Power". Wenn nach Meinung des chinesischen Präsidenten Xi Jinping "die Welt keine Hegemonialmacht will", so zeigt sich doch, wie wichtig es ist, für Träume, Werte, Ziele zu stehen. Respekt durch Verantwortung im Bewusstsein wechselseitiger Bedingtheit. Deswegen ist ein Gipfel wie vor 60 Jahren wichtig: um zu wechselseitigem Respekt zurückzufinden, das Verbindende zu definieren, an einer neuen gemeinsamen Sprache zu arbeiten und Regeln zu skizzieren, nach denen man Kooperationen befördert und Interessengegensätze austrägt - zum Wohle aller Beteiligten.