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Heftiger "sozialpartnerschaftlicher Gegenwind" und die "Einsicht in verfahrensökonomische Schwierigkeiten" haben zu einer überraschenden gesetzgeberischen Initiative geführt. Hatte der Finanzstaatssekretär noch laut über steuerliche Pauschaliermodelle nachgedacht, so nahm ihm der Finanzminister höchstselbst die Mühe des Nachdenkens ab. Mit einem ungewohnten Kraftakt brachte er die vier Parlamentsklubs dazu, einem gemeinsamen Initiativantrag zuzustimmen, der die Trinkgelder an Arbeitnehmer in den verschiedenen Berufszweigen steuerfrei erklärte. Steuerfrei rückwirkend bis 1999.
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In der lohnsteuerlichen Fachliteratur gibt es keinen Zweifel, dass Trinkgelder im Dienstnehmerbereich - sozusagen als "Nebenprodukt" der Arbeitsleistung eines Dienstnehmers - ebenso lohnsteuerpflichtig seien wie der normale Lohn oder Gehalt. Es handelt sich um einen "Vorteil aus dem Dienstverhältnis", freilich einen, der betraglich schwer fassbar ist.
Wer einen Kellner nach der Höhe seiner jährlichen Trinkgelder fragte, erhielt - wenn überhaupt - nur einen Jahresbetrag von höchstens 730 Euro genannt. 730 Euro ist der Steuerfreibetrag für die anderen Einnahmen der Dienstnehmer. Die Wahrheit war - auch für den Fiskus - kaum zu eruieren.
Aufregung durch L-Protokoll
Das änderte sich, als viele Gäste in der Gastronomie ihre Trinkgeld-Zugabe einfach auf die Kreditkartenbons dazuschrieben. Plötzlich wurde dieses Trinkgeld transparent, nicht nur für den Chef (der davon hätte Lohnsteuer einbehalten sollen), sondern vor allem für die Lohnsteuerprüfer. In einem Lohnsteuerprotokoll aus dem Vorjahr wies die Finanz ausdrücklich auf die nun offenbar feststellbare Steuerpflicht hin. Anlass für den erwähnten heftigen "sozialpartnerschaftlichen Gegenwind".
Im Finanzministerium nahm man die soziale Krise ernst. Schließlich soll die gute Bedienung in Gourmettempeln, die Coiffeurkunst in den Salons oder die Fahrfreude in den heimischen Taxis nicht durch fiskalisches Abzocken leiden. In einem Initiativantrag*) formulierte man unter den einkommensteuerlichen Befreiungsbestimmungen einen neuen § 3 Abs. 1 Z 16 a EStG, der sich wie folgt liest:
"(Von der Einkommensteuer sind befreit ...) Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist."
An der neuen Gesetzesstelle, die inhaltlich der in Deutschland geltenden Steuerbefreiung für Trinkgelder abgeschaut ist, sind verschiedene Aussagen bemerkenswert. Zunächst jene, dass die heimische Trinkgeld-Steuerbefreiung nur für Gaben an Arbeitnehmer gilt. Das macht es korrekterweise notwendig, in Gasthöfen bei der Begleichung der Zeche zu fragen: "Sind Sie der Zahlkellner oder der Wirt?" oder etwa im Taxi: "Sind Sie "bloß" der Fahrer oder der Taxiunternehmer selbst?" Zugegeben: für beide eine ungute Situation.
Verfassungswidrige Dualität?
Mit unguten steuerlichen Folgen. Denn die neue Steuerbefreiung ist nur auf Arbeitnehmer anwendbar; Selbständige unter den Empfängern müssten die erhaltenen Zugaben per Einkommensteuererklärung weiter versteuern. Kein Wunder, dass Verfassungsrechtler gegen diese schwer verständliche Gegensätzlichkeit ein neues (und wie durchaus möglich ist) erfolgreiches Betätigungsfeld finden.
Der neu formulierte Paragraph enthält einen kryptischen Schlusssatz, der Juristen ebenfalls nicht gefallen will. Die Steuerfreiheit gilt nicht, wenn dem Arbeitnehmer die Trinkgeldannahme rechtlich untersagt ist. Das betrifft in erster Linie Croupiers in den Casinos, deren Trinkgelder vom Arbeitgeber gemeinsam eingezogen werden und dann an die einzelnen Mitarbeiter verteilt werden. Hier ist Transparenz der Zuflüsse gegeben und damit die Möglichkeit für die Fiskalstellen, die notwendigen Abgaben (die der Dienstgeber zu berechnen hat) zu überprüfen.
Auch DB- und KommSt-frei
Die neue Steuerfreiheit für Trinkgelder an Arbeitnehmer gilt sowohl für die im Barverkehr zugewendeten Beträge als auch für die sogenannten Kreditkartentrinkgelder. Es entfällt nicht bloß die Lohnsteuerpflicht, sondern auch der Dienstnehmerbeitrag und die Kommunalsteuer. Über die Möglichkeit, die Rückwirkung zurück bis 1999 durchzusetzen, wollen Finanzministerium und Wirtschaftskammer demnächst Hinweise veröffentlichen.
*) Initiativantrag v. 4.2.2005, 527/A NR. 22.GP.