Obama und Cameron wollen Druck auf Gaddafi-Regime erhöhen. | Scharfe Kritik aus Russland. | Tripolis/London/Moskau. Es waren die bisher schwersten Angriffe seit über zwei Monaten, die die Nato Dienstagabend auf Tripolis geflogen ist. Dies bestätigte das Militärbündnis am Mittwoch. | Nato fliegt Großangriff auf Tripolis
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Libyens Hauptstadt war am späten Abend innerhalb von zehn Minuten von sechs lauten Explosionen erschüttert worden.
Bereits 24 Stunden zuvor hatte die Nato massiv Angriffe geflogen und dabei auch eine Wohnanlage von Gaddafi ins Visier genommen. Nach libyschen Angaben wurden dabei 19 Menschen getötet. Die libysche Nachrichtenagentur Jana meldete, bei den Nato-Angriffen sei auch eine Moschee getroffen worden. Bei ihren Luftangriffen auf Ziele in Libyen soll die Natozudem Telekommunikationsanlagen in der Stadt Zliten zerstört haben, meldete Jana am Mittwoch.
Obama will Druck auf Gaddafi-Regime erhöhen
US-Präsident Barack Obama und der britische Premierminister David Cameron wollen indes den Druck auf das Regime von Gaddafi in Libyen erhöhen. "Der Präsident und ich sind uns einig, dass wir Dampf machen sollten", sagte Cameron am Mittwoch nach Gesprächen in London. Auf die Frage, ob Großbritannien in Libyen Kampfhubschrauber einsetzen werde, sagte Cameron, es müssten alle Optionen geprüft werden. Es sei aber wichtig, dass man innerhalb der von der UNO-Resolution formulierten Möglichkeiten bleibe. "Wir haben enorme Fortschritte in Libyen gemacht", sagte Obama. "Wir haben viele Menschenleben gerettet."
Scharfe Kritik aus Russland
Russland hat die jüngsten Nato-Angriffe auf Tripolis unterdessen scharf kritisiert. Es handle sich um "eine weitere schwere Verletzung der Resolutionen 1970 und 1973 des UNO-Sicherheitsrates", teilte das russische Außenministerium am Mittwoch in Moskau mit. Die Luftangriffe könnten die Auseinandersetzung zwischen der libyschen Regierung und den Aufständischen nicht beenden. Durch die Angriffe bestehe zudem die Gefahr, dass sich die Haltung der libyschen Regierung noch verhärte. Auch führten die Luftangriffe zu weiterem Leid für die Zivilbevölkerung.
Die Strategie der Nato "bringt uns keinen Schritt weiter hinsichtlich des allgemeinen Ziels, den bewaffneten Konflikt schnell zu beenden", hieß es in der Erklärung weiter. Zugleich kritisierte Russland, dass die von der Nato bombardierten Gebäude keine Militäreinrichtungen gewesen seien.
G-8 beraten über Ausweg aus Krise
Unterdessen wurden die diplomatischen Bemühungen für eine Lösung verstärkt. Die sieben führenden Industrienationen und Russland (G-8) wollen bei ihrem Treffen diese Woche über einen Ausweg aus der Krise beraten. Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma will am Montag mit Gaddafi in Tripolis zusammenkommen, um über eine Lösung des Konflikts in dem nordafrikanischen Land zu beraten, teilte das südafrikanische Präsidentenamt am Mittwoch mit. Ein Mitarbeiter sagte, dabei solle über eine Strategie für eine Abgabe der Macht durch Gaddafi beraten werden. Ein anderer Regierungsvertreter sagte, in der Angelegenheit arbeite Südafrika mit der türkischen Regierung zusammen. Auch Vertreter der Afrikanischen Union (AU) wollten noch im Laufe des Tages in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zusammenkommen, um über die Lage in Libyen zu beraten.
Zuma war bereits am 10. April mit einer hochrangigen Delegation der AU nach Libyen gereist. Ein ausgehandelter Friedensplan scheiterte aber, weil die libyschen Rebellen einen sofortigen Machtverzicht Gaddafis forderten.
Südafrika, derzeit nicht-ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat, hatte Mitte März für die Resolution gestimmt, die eine Flugverbotszone über Libyen zum Schutz der Zivilbevölkerung festschreibt. Seitdem kritisierte das Land aber die inzwischen von der NATO geführten Luftangriffe gegen Ziele in Libyen und hat sich gegen das ausgegebene Ziel ausgesprochen, Gaddafi aus der Macht zu drängen.
Die französische Zeitung "France Soir" berichtete, Gaddafi sei es leid, einen Bürgerkrieg zu führen unter ständigem Beschuss durch die NATO und würde zurückgetreten, vorausgesetzt er dürfe in Libyen bleiben. Dem Bericht zufolge laufen hinter den Kulissen seit Wochen Gespräche mit Vertretern aus westlichen Ländern, darunter Frankreich. Öffentlich hat Gaddafi mehrfach gesagt, er werde bis zum Tod weiterkämpfen. (APA/Reuters/dpa/AFP)
Dossier: Umbruch in der arabischen Welt