Das EU-Sorgenland Griechenland rutscht noch tiefer in die Rezession als erwartet.
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Athen. In der Causa Griechenland ist sie die bedeutendste ökonomische Kennziffer: Die Entwicklung der Wirtschaftsleistung. Nun sind die ersten relevanten Daten für das laufende Jahr ermittelt worden. Sie zeigen: Griechenland dürfte tiefer in die Rezession rutschen als ursprünglich erwartet. Dies hätte im Tauziehen zwischen Athen und seinen öffentlichen Gläubigern EU, EZB, IWF und ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) über den weiteren Werdegang des ewigen Euro-Sorgenlandes weitreichende Folgen.
Der griechische Staatshaushalt 2016 sieht vor, dass die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um moderate 0,7 Prozent schrumpfen wird. Im vergangenen Jahr ging das Bruttoinlandsprodukt offiziellen Angaben zufolge um 0,2 Prozent zurück.
Nur: Die Industrieproduktion brach im März 2016 um stattliche vier Prozent ein, wie das griechische Statistikamt Elstat nun bekanntgab. Im Vergleichmonat 2015 war die Industrieproduktion hingegen noch um 5,4 Prozent gestiegen.
Negative Trends fast überall
Die Gründe für den signifikanten Rückgang der Industrieproduktion sind vielfältig: politische und ökonomische Unwägbarkeiten, Liquiditätsengpässe der Unternehmen wegen der weiter geltenden Kapitalverkehrskontrollen im griechischen Bankensystem, hohe Steuern sowie hohe Energiekosten. Überdies fiel der Wert der griechischen Exporte im ersten Quartal 2016 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresmonat um 8,9 Prozent auf nur noch 5,72 Milliarden Euro - im ersten Quartal 2015 hatten die Exporte noch 6,28 Milliarden Euro ausgemacht. Damals waren sie um fulminante 14 Prozent in die Höhe geschnellt - man setzte große Erwartungen in den Wahlsieger Alexis Tsipras.
Das ist nun offenbar anders. Besonders stark brach der Wert der griechischen Ausfuhren von Mineralölprodukten und Treibstoffen im ersten Quartal 2016 ein. Sie fielen um 30,5 Prozent. Ferner sank der Wert der Exporte von Softwareprodukten, Medikamenten und Waffen aus Hellas um 22,4 Prozent. Die Rohstoffe wiesen zudem einen Rückgang um 18,6 Prozent auf.
Auch griechisches Olivenöl fand weniger Käufer im Ausland. Der Wert der betreffenden Exporte sank um 9,7 Prozent. Ein Wermutstropfen ist höchstens, dass sich der Wert der Ausfuhren von Getränken und Tabakwaren um 20,6 Prozent erhöht hat. Rutscht Griechenland nun heuer tatsächlich tiefer in die Rezession als erwartet, hätte dies weitreichende Folgen.
Hoffen auf Wachstum
Denn Griechenland soll schon im Jahr 2018 einen sogenannten primären Haushaltsüberschuss (ohne Schuldendienst) in Höhe von 3,5 Prozent erreichen. Dies setzt jedoch zugleich ein starkes Wirtschaftswachstum ab 2017 voraus. Konkret: Schon im kommenden Jahr soll das Land ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent erzielen.
Die Faustregel ist aber: Je tiefer die Rezession 2016 als Ausgangspunkt ausfällt, desto schwieriger wird es sein, die angestrebten ambitionierten Wachstumsziele ab 2017 in Athen auch nur annähernd zu erreichen. Ob dieser Aufschwung eintritt, ist also höchst fragwürdig.
Überdies hat die Entwicklung der Wirtschaftsleistung in Athen eine maßgebliche Auswirkung auf die sogenannte Tragfähigkeit der griechischen Staatsschuld. Sie belief sich per Ende 2015 auf 321,33 Milliarden Euro - und dies bei einer Wirtschaftsleistung von nur 175 Milliarden Euro.
Griechenland fordert bereits seit geraumer Zeit eine signifikante Schuldenerleichterung. Die Eurogruppe hatte am Montag erstmals eine Entscheidung in der Schuldenfrage in Aussicht gestellt. Eine mögliche Einigung könnte bereits auf ihrer nächsten regulären Sitzung am 24. Mai zustande kommen, verlautete aus aus dem Umfeld der Euro-Finanzminister.