Es ist eine Gratwanderung zwischen plumper Panikmache und verantwortungsvoller Politik. Nicht nur in Österreich gelingt diese viel zu selten.
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Immerhin: Normalerweise können sich Österreichs Volksvertreter nicht einmal darauf einigen, wie das Wetter vom vorigen Tag war. Nur bei der Ablehnung der Atomkraft sind sich ausnahmsweise alle, und zwar wirklich alle, einig: Bürger, Medien, Parteien und Interessenvertreter sonder Zahl. Nicht einmal die beiden Umweltbeauftragten von katholischer und evangelischer Kirche schrecken vor Klartext zurück.
Was läge da näher, als die dramatische Katastrophe in Japan für ein bisschen politische Eigenwerbung zu benutzen? Natürlich nichts. Also versucht dieser Tage praktisch jeder Funktionsträger im Vereinsmeierland Österreich ein paar Strahlen zusätzlicher öffentlicher Aufmerksamkeit zu ergattern.
Selbstredend bestimmt auch hier der Standort den Standpunkt. Also fordern SPÖ und ÖVP die Europäische Union zum, bitte sehr schön, sofortigen Handeln auf. Die Regierung kann sich hier - abseits wohlfeiler Rhetorik - ja wohl schlecht selbst in die Pflicht nehmen. Schließlich ist Österreich trotz rhetorischer Höchstleistungen, die Öffentlichkeit vom Gegenteil zu überzeugen, meilenweit von jener ökologischen Insel der Seligen entfernt, die zu sein wir so gerne vorgeben.
Opposition und Lobbyinggruppen haben es demgegenüber wesentlich einfacher: Die Glaubwürdigkeit von deren Forderungen ist jungfräulich unbefleckt von jahrzehntelanger Regierungsverantwortung. Hier zählt der reine und unbedingte Wille zu einer besseren Welt.
Was aber soll man davon halten, wenn der FPÖ-Klubchef im Wiener Rathaus die Ausgabe von Jodtabletten an alle Schüler der Bundeshauptstadt fordert? Oder die Umweltsprecherin der Grünen kategorisch die sofortige Stilllegung aller Risiko-AKW in der EU verlangt? Oder der Umweltminister im ersten Halbsatz zwar betont, er lehne "jeglichen Populismus" ab, im nächsten Atemzug jedoch die dramatischen Ereignisse in Japan als eine "Apokalypse" bezeichnet - gemeinhin eine Metapher für den aufziehenden Weltuntergang. Das ist, mit Verlaub, nichts anderes als populistische Panikmache.
Niemand hält unsere
p.t. Verantwortungsträger davon ab, durch praktische Politik Österreich zu einem Vorzeigeland in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit zu formen. Das wäre beileibe nicht das schlechteste politische Zukunftsprojekt.
Nur wäre das nicht ohne - einigermaßen bildlich gesprochen - Blut, Schweiß und Tränen im Angesicht der Wähler zu haben. Energie und die allermeisten natürlichen Ressourcen wären dann nämlich, was sie realiter tatsächlich sind: ein knappes und daher sehr, sehr teures Gut.