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Triumph der Pöbler

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

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Viele Probleme unserer Zeit ließen sich schon durch etwas bessere Manieren aus der Welt schaffen, erklärte einmal der Wiener Philosoph Rudolf Burger. Hinweise darauf finden sich an praktisch jeder städtischen Straßenkreuzung, auf zahllosen Dorffesten, in den Plenumsdebatten des Nationalrats und immer häufiger auch in der hohen und höchsten Diplomatie.

Eine neue Generation von Karrierepolitikern und Quereinsteigern hat das öffentliche Anpöbeln von Mitbewerbern und Kritikern von der Ausnahme zur Regel erhoben. US-Präsident Donald Trump hat soeben den britischen Botschafter in Washington aus dem Amt getwittert, indem er ihn als "dummen Kerl" beschimpfte und jede Zusammenarbeit mit diesem aufkündigte. Zuvor waren auf noch ungeklärtem Weg vertrauliche Berichte des Botschafters an London öffentlich geworden, in denen er Zweifel an der charakterlichen und fachlichen Eignung Trumps geäußert hatte.

Nur zur Einordnung: London ist der engste, treueste und wichtigste Verbündete Washingtons seit mehr als hundert Jahren. Aus dem britischen Außenministerium hieß es, nicht einmal das Staatsoberhaupt eines feindlichen Staats habe sich je so gegenüber einem britischen Botschafter verhalten, wie es Trump nun tat.

Aber der ständige Fokus auf Trump lenkt ab. Der aktuelle US-Präsident wird, früher oder später, Geschichte sein. Die Selbstverständlichkeit, mit der schlechtes Benehmen zum akzeptierten Standard im öffentlichen Umgang auf allen Ebenen geworden ist, wird dagegen bleiben. Zumindest finden sich keine Anhaltspunkte, die auf eine Trendumkehr hoffen ließen.

Es gibt so etwas wie einen Aufmerksamkeitsbonus für die Lauten, Unverschämten und Aggressiven. Und Aufmerksamkeit ist längst die wichtigste Währung in unserer an Ablenkung reichen und in puncto Konzentrationsfähigkeit armen Gesellschaft. Deshalb handeln all die kleinen und großen öffentlichen Pöbler und Rempler aus Sicht der medialen Logik richtig, und zwar selbst dann, wenn sie objektiv unrecht haben.

Und wer nun fragt, ob nicht die harte Kritik des Botschafters am US-Präsidenten dessen Reaktion provozierte, verkennt die Kernaufgabe eines Diplomaten: In vertraulichen Berichten eine schonungslos ehrliche Einschätzung der politischen Lage seines Gastlands abzugeben. Diplomatisch muss ein Diplomat nur handeln und reden, wenn er öffentlich agiert.

Wohlbegründete Vertraulichkeit ist wie gutes Benehmen ein akut gefährdetes Sozialverhalten. Richtig vermissen werden wir beide aber erst, wenn sie zur Gänze aus unserem öffentlichen Leben verschwunden sind. Und Schuld werden natürlich die Anderen sein.