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Triumph des Unbehagens

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Das Wahlergebnis in der Steiermark ist ein Triumph des Unbehagens. Eine unsichere Wirtschaftslage, die Ungerechtigkeit fördert. Das mehr oder minder bewusste Gefühl, dass die Republik falsch organisiert ist (siehe Flüchtlingsdebatte) - und am Schluss eine EU, die alles verbreitet, nur nicht Aufbruchsstimmung.

In einer solchen Welt verklären Menschen die Vergangenheit - damals, als es noch Klarheiten gab. Und Parteien wie die FPÖ, die einfache Antworten anbieten, profitieren davon. Denn SPÖ und ÖVP, das sind die Parteien des "Systems". Jenes "System", das im Moment so viel Unsicherheit verbreitet, weil dessen Politik ihren Gestaltungsspielraum aufgegeben hat.

Dort herrschen Pragmatismus und Rituale, die kein Bürger mehr versteht. Dass es nun ausgerechnet Franz Voves trifft, der mit der ÖVP in der Steiermark aus diesem Schema auszubrechen versuchte, ist doppelt schade.

Weder SPÖ noch ÖVP haben derzeit realpolitische Antworten auf die Fragmentierung der Welt. Sie verwalten einen erreichten Status, der sich sehen lassen kann. Aber viele Menschen glauben, dass dies nicht genügt - zu Recht.

Das "System Österreich" ist in den Augen vieler keine Erfolgsstory mehr, sondern ein Bremsklotz. So vieles passiert gar nicht oder überaus unzureichend.

In dieser Gemengelage haben jene Erfolg, die mit dem Hammer draufhauen, und nicht jene, die mit dem Pinsel an der Freilegung komplexer Vorgänge arbeiten.

Es wird von sozial- und christdemokratischen Politikern erwartet, dass sie sozial kompatible Antworten auf diese unsoziale Welt anbieten. Machtpolitik allein genügt nicht mehr.

Dass die FPÖ beim Thema Ausländer/Flüchtlinge (das wahllos vermischt wird) dermaßen punktet, hängt auch damit zusammen, dass sich Bundesregierung, Landesregierungen und Bürgermeister von SPÖ und ÖVP ein erschreckendes Schauspiel politischer Verantwortungslosigkeit geliefert haben. Wer sich so gegenseitig lähmt, hat wohl jedes Vertrauen verspielt.

Und das bisherige Schweigen der Regierungskoalition zu den ständig steigenden Arbeitslosenzahlen ist auch kein Ruhmesblatt.

"Das System" hat gestern - nach 70 Jahren - vom Wähler eine bisher nicht dagewesene Abfuhr erhalten. Ob es daraus lernt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.