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Temperaturanstieg hat es auch früher mehrmals gegeben. | Sind wirklich CO2 und der Mensch am Klimawandel schuld? | Heidelberg. Um die Klimazukunft abzuschätzen, muss man die Klimavergangenheit kennen. Wie hoch waren die Temperaturen in Vorzeiten, wie stark war ihre Variabilität? Tiefere oder höhere Temperaturen als heute, wie etwa im Mittelalter, können Hinweise auf den Ursprung der gegenwärtigen Erwärmungsphase liefern. Leben wir aktuell in einer ungewöhnlichen Klimasituation? Schreitet eine gefährliche Erderwärmung schnell voran? Oder wird es gar umgekehrt in naher Zukunft kälter anstatt wärmer? Solche Fragen können nur im Vergleich mit Vergangenheitsdaten beantwortet werden.
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Auch der Weltklimarat IPCC misst den Vergangenheitstemperaturen in seinen Berichten höchste Bedeutung zu. Weit über die Fachwelt hinaus erregte daher die vom IPCC propagierte Temperaturkurve des Autors Michael Mann Aufsehen, die 1999 in "Geophysical Research Letters" erschien. Kritiker tauften sie "Hockeyschlägerkurve", da sie wie ein nach oben gerichteter Hockey-Schläger aussieht. Ein langer, flacher Verlauf, der bis zum Jahre 1000 zurückreicht, endet in einem kurzen steilen Anstieg und zeigt augenfällig eine dramatische Erwärmung in jüngster Zeit an. Die Kurve von Mann erlangte daher rasch eine über ihre wissenschaftliche Bedeutung hinausgehende Symbolwirkung und führte zu heftigen Kontroversen.
Zahlreiche Fehler und Schlampereien
Dies war schon bei oberflächlicher Betrachtung der Kurve nachvollziehbar. Gut bekannte Klimaereignisse, wie das mittelalterliche Klimaoptimum oder die kleine Eiszeit im ausgehenden 17. Jahrhundert, sind in ihr nämlich nicht erkennbar. Experten deckten zahlreiche Fehler und Schlampereien auf, die zu Korrekturen aber keineswegs zum völligen Zurückziehen der historischen Temperaturen von Mann führten.
Da Thermometerdaten nur aus wenigen hundert Jahren zur Verfügung stehen, können für noch weiter zurückliegende Zeiten Temperaturen nur indirekt ermittelt werden. Man verwendet dazu Temperatur-Archive oder sogenannte Klima-Proxies. Dies sind Eisbohrkerne, Baumringe, Meeres- und Seesedimente, Kalkschalen von Organismen, Pflanzenpollen, Blattstomata usw. Die entsprechenden Analyseverfahren sind aufwendig und mit hohen systematischen Fehlern behaftet. Aus diesem Grunde müssen in der Regel mehrere Methoden miteinander kombiniert und abgeglichen werden. Manns fehlerhafte Daten wurden dagegen fast ausschließlich aus Baumringen gewonnen. Die IPCC-Klimarekonstruktionen beruhen trotzdem noch immer auf Untersuchungen von Baumringen.
Wende: Stalagmiten als Klima-Proxies
Eine unerwartete Wendung dieser unbefriedigenden Situation ergab sich vor etwa einem halben Jahrzehnt, als man ernsthaft damit begann, Stalagmiten in Tropfsteinhöhlen als Klima-Proxies zu verwenden. Stalagmiten bestehen aus Kalziumkarbonat (Kalzit) und verdanken ihre Entstehung dem durch den Erdboden sickernden Regenwasser, das dabei aus der Vegetation entstandenes CO2 aufnimmt. Beim Fließen durch enge Spalten und Ritzen des Kalkgesteins wird dann Kalzit erzeugt. In der Tropfsteinhöhle scheidet das Wasser das Kalzit wieder ab, indem es unter punktförmigen Tropfstellen Stalagmiten bildet. Die Jahresschichten der Stalagmiten erlauben analog zur Baumringmethode sehr genaue relative Zeitdatierungen.
Das absolute Alter der untersten und obersten Stalagmitenschicht wird mit Hilfe der Uran-Thorium-Methode mit einem Fehler von nur wenigen Prozent ermittelt. Die Temperaturermittlung der einzelnen Jahresschichten basiert auf dem Konzentrationsverhältnis des im Kalzit enthaltenen 18O-Isotops zum gewöhnlichen Sauerstoff genannt (180. Aus den mit dem Massenspektrometer gemessenen Werten in den altersbekannten Stalagmitenschichten ergeben sich schließlich die gesuchten historischen Temperaturen.
Da das Kalzit der Stalagmiten in den isolierten Höhlen dem Einfluss der Außenwelt entzogen ist und sich praktisch nicht verändert, gehören Stalagmiten heute zu den verlässlichsten Klima-Proxies. Das unterscheidet sie ganz wesentlich von Eisbohrkernen, die im Laufe der Zeit durch natürliche chemische Prozesse verändert werden, welche die Analysenergebnisse erheblich verfälschen können. Man gewinnt aber aus Stalagmiten auch noch weitere Klimaparameter, wie beispielsweise Niederschlagsmengen.
Präzise Anzeige von Vulkanausbrüchen
Insgesamt werden zur Stalagmitenanalyse nicht nur das (18O, sondern auch das 13C-Isotop des Kohlenstoffs sowie die Elemente Strontium, Barium, Yttrium, Blei und Schwefel herangezogen. Interessante Informationen liefern zum Beispiel die Sulfatkonzentrationen, die präzise die beiden Extrem-Vulkanausbrüche des Mount Tambora und des Mount Krakatau anzeigen.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Augusto Mangini von der Universität Heidelberg hat in Zusammenarbeit mit Christoph Spötl von der Universität Innsbruck Stalagmiten der Spannagel-Höhle bei Hintertux in Tirol ausgewertet. Diese Höhle bietet auf Grund ihrer Lage auf 2500 m Höhe optimale Voraussetzungen für verlässliche Analysen. Das Forschungsergebnis aus der Zusammenarbeit beider Gruppen ist die bis 9000 Jahre vor unsere Zeit zurückreichende Temperaturkurve Comnispa, die in ihrer Genauigkeit alle bisherigen historischen Temperaturangaben weit übertrifft - Comnispa, aus COMposite Curve und dem Höhlennamen SPAnnagel. Die Comnispa-Kurve wurde zusätzlich durch weitere Proxies, wie ins Meer gespülte Sedimente, abgesichert. Sie darf für die ganze Nordhemisphäre als repräsentativ gelten.
Heutige Erwärmung ist vergleichsweise gering
Die Comnispa-Kurve falsifiziert die Aussage des IPCC von einer noch nie dagewesenen aktuellen Erderwärmung, denn sie zeigt historische Temperaturmaxima an, die die heutigen Werte weit übersteigen. Insbesondere die Variabilität des historischen Klimas in Europa, deren Ursachen im Dunkeln liegen, erweist sich als überraschend hoch. Als Beispiel sei die Mitte des 4. Jahrhunderts nach Christus näher betrachtet. Hier stieg die Jahresmitteltemperatur in nur 120 Jahren um 1,8 Grad Celsius an!
Dagegen dürfen die etwa 0,7 Grad Erwärmung von 1890 bis heute - also auch in 120 Jahren - als geringfügig gelten. Damals gab es CO2 aus menschlicher Aktivität noch nicht, daher waren die Fluktuationen zweifellos natürlichen Ursprungs. Angesichts der extremen Vergangenheits-Fluktuationen und Temperaturmaxima erscheint die Aussage, die aktuelle geringfügige Erwärmung rühre vom menschgemachten CO2 her und sei zudem noch als katastrophal einzustufen, als zunehmend fragwürdig.
Kritiker der anthropogenen CO2-Hypothese sehen sich angesichts zunehmender Indizien, zu der auch die Comnispa-Kurve zählt, konsequenterweise in ihren Argumenten bestätigt. Die rund 30-jährige Abkühlungsphase ab etwa dem Jahre 1940, aber auch die seit sechs bis zehn Jahren gemessene globale Wiederabkühlung von steigender Intensität passen nämlich definitiv nicht mit dem konstant zunehmenden CO2 der Luft zusammen. Die Auswirkungen der jüngsten Abkühlung sind inzwischen auch bei uns in kälteren und schneereicheren Wintern spürbar.
Und weil es von den Medien regelmäßig übersehen oder falsch berichtet wird, muss immer wieder daran erinnert werden, dass bis zum heutigen Tage weder Zunahmen von Extremwetterereignissen noch von ungewöhnlichen Meeresspiegelanstiegen gemessen wurden. Ein anthropogenes Signal ist in den bisherigen Verlautbarungen der Wetterdienste nicht auffindbar.
Maßgeblicher "global player" ist die Sonne
Das Naturgas CO2, das in der Atmosphäre aktuell zu 0,038 Prozent, also nur in Spuren enthalten ist, wirkt als Treibhausgas ohne Zweifel erwärmend. Die Infrarot-Absorption des CO2 ist aber längst gesättigt und kann durch zunehmendes CO2 nur noch sehr wenig verstärkt werden. Wieviele kältere Winter und wieviel zunehmendes Arktis-Eis werden wohl noch nötig sein, bis sich diese Fakten in den Klima-Maßnahmen von Politik und Medien niederschlagen werden?
Stalagmiten bieten aber noch mehr als Temperaturen. Man findet hier Zyklen, die eindeutig auf die Sonne als den maßgebenden "Global Player" des Erd-Klimasystems hinweisen. Damit werden die schon seit langem aus der Fachliteratur bekannten, aber vom IPCC ungeliebten Ergebnisse von Klimaforschern, wie Henrik Svensmark, Jan Veizer, Nir J. Shaviv u.a.m. bestätigt.
Der Einfluss der Sonne auf das Klima ist bereits seit längerem durch zahlreiche Untersuchungen statistisch bestens belegt und wird nun auch durch die Comnispa-Kurve untermauert. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ist aber zu betonen, dass immer noch ein durch Messungen abgesicherter Mechanismus gesucht wird, der diese sehr gute Korrelation auch schlüssig erklärt.
Die von vielen Forschern favorisierte Hypothese rückt das Sonnenmagnetfeld, dessen Stärke der Anzahl der Sonnenflecken entspricht, ins Zentrum der Vermutungen. Es schirmt die Erde vor kosmischer Strahlung ab. Wird das Sonnenmagnetfeld schwächer, gelangen mehr kosmische Partikel als spätere Wolkenkeime in die Erdatmosphäre, die dann am Ende einer langen Wirkungskette zu abkühlenden Wolken führen. Gegenwärtig sind die Sonnenflecken fast verschwunden, so dass die Sonnen-Hypothese auch die aktuelle Abkühlung erklärt.
Leider ist die Realität aber mit Sicherheit weit komplexer. Nicht nur die Wolkenbildung selber ist so gut wie unerforscht. Darüber hinaus spielt auch die Qualität der Wolken eine maßgebende Rolle. Je weißer die Wolken sind, umso stärker reflektieren sie das eintreffende Sonnenlicht auf ihrer Oberseite in den Weltraum und kühlen damit die Erde ab.
Stalagmitenmethode erlebt Aufschwung
Welche Rolle weitere Treibhausgase, Aerosole und insbesondere Sulfate bei all diesen noch unerforschten Wolkeneffekten spielen, ist zur Zeit völlig offen. Zur Klärung dieser und weiterer spannender Fragen wird auch die Stalagmitenmethode, die zur Zeit weltweit einen Aufschwung erlebt, hoffentlich bald neue Erkenntnisse beitragen können.
Quellen: Mangini,A. et al.: Persistent Influence of the North Atlantic hydrography on central European winter temperature during the last 9000 years, Geophysical Research Letters, 18. Jan. 2007
Dreybrodt,W.: Physik von Stalagmiten, Physik Journal, Feb. 2009
Dipl.-Physiker Prof. Dr. Horst-Joachim Lüdecke lehrte bis zu seinem Ruhestand an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Er hat das Buch "CO2 und Klimaschutz", erschienen im Bouvier-Verlag, verfasst.