Geflüchtete aus der Ukraine haben Zugang zum Arbeitsmarkt. Das ist derzeit im System an sich nicht vorgesehen.
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Die Massenzustrom-Richtlinie der EU ist über 20 Jahre alt. In Kraft getreten ist sie Anfang März 2022 aber zum ersten Mal. Sie verleiht Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine in ein EU-Land flüchten, automatisch einen Schutzstatus, ohne dass Betroffene ein langwieriges Asylverfahren durchlaufen müssen.
Anders als bei Asylwerbern gewährt diese Sonderstellung den Betroffenen Zugang zu Arbeitsmarkt, Sozialleistungen und Bildung. Wer aus anderen Ländern nach Österreich flieht, benötigt für die gleichen Rechte erst einen positiven Asylbescheid. Doch der besondere Status der Ukrainerinnen und Ukrainer wirft in Österreich Fragen auf, schließlich war er im bisherigen System zur Versorgung von Geflüchteten nicht vorgesehen.
Anspruch auf Grundversorgung
Wer in Österreich auf den Abschluss seines Asylverfahrens wartet, hat seit 2004 Anspruch auf die sogenannte Grundversorgung, deren Kosten sich Bund und Länder teilen. Die Menschen werden entweder in privaten oder organisierten Quartieren untergebracht und erhalten eine Vollverpflegung oder häufiger ein Verpflegungsgeld. Die Höhe schwankt je nach Bundesland zwischen etwa 5,50 und 6,50 Euro täglich.
Wer privat untergebracht ist, hat Anspruch auf maximal 150 Euro Mietzuschuss für Einzelpersonen und den doppelten Betrag für Familien. Für Kleidung und Schulbedarf werden den Geflüchteten Gutscheine ausgestellt. Zusätzlich gibt es ein monatliches Taschengeld in der Höhe von 40 Euro, in Niederösterreich jedoch nur für Personen, die in Quartieren mit Vollverpflegung wohnen.
Außerdem sind Menschen in der Grundversorgung krankenversichert, haben allerdings keinen Anspruch auf Sozialleistungen wie Kindergeld oder Mindestsicherung. Sobald jemand Asyl zugesprochen bekommt, fällt er vier Monate später aus dem System, was auch den Verlust des Quartiers bedeutet, schließlich steht den Menschen nun der Arbeitsmarkt offen.
Denn im Normalfall dürfen Asylwerber keiner regulären Arbeit nachgehen, Ausnahmen gibt etwa es für gemeinnützige Tätigkeiten, Saisonbeschäftigung und Erntearbeit. Wer selbst Geld verdient, muss einen Kostenbeitrag für seine Unterbringung leisten, behalten dürfen Menschen in der Grundversorgung nur 110 Euro im Monat.
Arbeitsbewilligung bisher die Ausnahme
Wenn das Zusatzeinkommen wieder wegfällt, wie es bei Saisonarbeitern häufig vorkommt, werden die Betroffenen wieder voll in die Grundversorgung aufgenommen.
Für eine reguläre Beschäftigung benötigen Menschen, die auf ihren Asylbescheid warten, eine Beschäftigungsbewilligung, die sie erst nach einer Arbeitsmarktprüfung erhalten. Gibt es genügend besser integrierte Menschen mit längerfristigem Aufenthaltstitel, die denselben Beruf ausüben könnten, erhalten Asylwerber die Bewilligung nicht. Menschen, die gleichzeitig grundversorgt werden und regulär arbeiten, waren daher bis jetzt die Ausnahme.
Ministerien suchennach Lösungen
Anders sieht es bei den Geflüchteten aus der Ukraine aus. Die EU-Richtlinie garantiert ihnen den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung ist hier nur ein Formalakt, bestätigt das Innenministerium auf Nachfrage.
Die Politik muss sich nun also die Frage stellen, wie sich Grundversorgung und der Zugang zum Arbeitsmarkt vereinbaren lassen. Vor allem der mögliche Verlust der Unterkunft beim Überschreiten der Zuverdienstgrenze könnte zum Problem werden. Wer in Österreich ausreichend verdient, werde laut Marion Kremla vom Verein Flüchtlingskoordination ohnehin kaum in den Quartieren der Grundversorgung bleiben wollen. Anders sei das in Fällen, wo das Einkommen nur wenig höher ist als die Summe der Zuschüsse. Betroffen wären beispielsweise Frauen mit kleinen Kindern, die oft nur teilzeitbeschäftigt sein werden.
Niemand, der die Zuverdienstgrenze knapp überschreitet, soll über Nacht sein Quartier verlieren, heißt es aus dem Innenministerium. Man könne sich auch eine Anhebung der Zuverdienstgrenze vorstellen. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) kündigte am Dienstag zudem eine baldige Entscheidung an, es herrsche große Einigkeit, dass eine Lösung für die Ukrainerinnen und Ukrainer gefunden werden muss.