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Caracas - Eineinhalb Jahre ist er bereits in Venezuela an der Macht - und viel länger im Mittelpunkt der Öffentlichkeit des verarmten südamerikanischen Öl-Landes. Doch Staatspräsident Hugo Chavez gibt den politischen Beobachtern weiter große Rätsel auf. Der 46-jährige Mestize, der am Sonntag bei Neuwahlen im Amt bestätigt wurde, nennt den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder und den britischen Premierminister Tony Blair seine "Vorbilder". Doch Kritiker rücken ihn wegen des autoritären Stils und des linksnationalitischen Gedankengutes eher in die Nähe von Fidel Castro.
Wie der kubanische Revolutionsführer liebt Chavez Baseball und stundenlange emotionale Reden. Der Mann mit dem roten Barett und dem großen Charisma wird von seinen vorwiegend in den Slums lebenden Anhängern denn auch - wie Castro - "El Comandante" gerufen. Anders als Castro liebt Chavez aber freie Wahlen und Volksbefragungen, mit denen er seine Macht bisher problemlos festigen konnte. Sechs an der Zahl gewann er seit Ende 1998.
Doch seine Vorliebe für demokratische Spielregeln ist relativ jung. Am 4. Februar 1992 war der heutige Präsident selbst in seinem Heimatland noch ein "Niemand", als er als Oberstleutnant der Fallschirmjäger in einer Nacht- und Nebelaktion versuchte, mit wenigen Panzern und Männern den damaligen Präsidenten Carlos Perez aus dem Regierungspalast Miraflores zu vertreiben.
Die Aktion ging schief. Aber bevor er sich ergab, sprach Chavez im nationalen Fernsehen ein paar Worte aus, die ihn sofort zum Idol der Millionen Unterdrückten in Venezuela machten. "Wir haben verloren ... einstweilen", sagte er damals mit fester Stimme kurz und prophetisch. Chavez und sein Waffengefährte Francisco Arias wanderten hinter Gitter, wurden aber nach zwei Jahren vom Präsidenten Rafael Caldera begnadigt. Von da war in den Slums in den Hügeln um Caracas und anderen Metropolen nur noch vom "Messias" und "Rächer" die Rede.
Der geschiedene und zum zweiten Mal verheiratete Chavez ist vierfacher Vater und Großvater. Er wird von den meisten der rund 80 Prozent Armen unter den 23 Millionen Venezolanern verehrt, die vom Ölreichtum nichts abbekamen und von korrupten demokratischen Regierungen gebeutelt wurden. Das von Chavez ständig angegriffene "Establishment" (Medien, Kirche, Unternehmerschaft und Traditionsparteien) beklagt eine "Diktatur unter demokratischem Gewand". "Er bringt die älteste Demokratie Südamerikas (seit 1958) in Gefahr", klagt nun sogar der langjährige Weggefährte Arias (49), der Chavez in den Neuwahlen nach der Verfassungsreform unterlag.
Was für ein Politiker sich hinter dem stets ruhig aber energisch wirkenden Chavez verbirgt, wird nun die nähere Zukunft zeigen müssen. Chavez versprach, dass nach den Staatsreformen (er löste Kongress und Oberstes Gericht auf und setzte eine weit greifende Verfassungsreform durch) "nun die Wirtschafts- und Sozial-Revolution kommt".