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Trotz Kritik an EU-Beitrittskandidaten ist keine Rede von Erweiterungsstopp

Von Wolfgang Tucek

Analysen

Die Europäische Union wird ihre Erweiterung fortsetzen. Daran lässt ihr neues Strategiepapier keinen Zweifel. Allerdings wird es für künftige Beitrittsländer möglicherweise etwas mühsamer. Denn er habe Lehren aus den bisherigen Ausweitungen gezogen, erklärte der finnische Kommissar Olli Rehn, dessen ausschließlicher Job es ist, die Erweiterung zu managen.


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Seine hunderten Beamten beraten mögliche neue Mitglieder, wie sie den Standards der Union näher kommen, und bewerten die Fortschritte. Schließlich habe die EU den Staaten des Westbalkan und der Türkei die Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Und Zusagen seien einzuhalten.

Dabei steht Brüssel bei weiteren Erweiterungsschritten vor einigen Problemen. Die Stimmung in der Bevölkerung vor allem gegenüber dem Beitritt der Türkei ist in Westeuropa schlecht. Rehn will daher die Vorteile der Erweiterung künftig besser kommunizieren. Die neuen Kandidaten müssten strikt die Bedingungen erfüllen, betont er. Bei der Erreichung dieses Ziels hat es sich als katastrophaler Fehler herausgestellt, Beitrittsdaten festzulegen. Diese haben freilich die EU-Staats- und Regierungschefs einstimmig beschlossen.

Dass der Reformeifer erlahmen kann, sobald ein Datum fixiert ist, zeigt sich am Beispiel Bulgariens. Das Land, dessen Aufnahme per Anfang 2007 nur durch einen einstimmigen Beschluss aller EU-Länder zu verhindern gewesen wäre, fiel in seiner EU-Reife deutlich hinter das von niedrigerem Niveau gestartete Rumänien zurück.

Nie war es bisher so offensichtlich, dass Länder der Union beitreten, welche die Bedingungen dafür nicht vollständig erfüllen. Die zur Abwehr gedachten Schutzklauseln, erstmals etwa auch im Bereich Justiz, könnten erst aktiviert werden, wenn die Länder schon monatelang Mitglieder sind. Urteile von möglicherweise nicht hinreichend unabhängigen bulgarischen Gerichten hätten bis dahin europaweit Gültigkeit.

Künftig seien so entscheidende Themen wie die Reform der öffentlichen Verwaltung, der Justiz und der Kampf gegen die Korruption in einer "sehr frühen Phase" des Beitrittsprozesses anzugehen, erklärte Rehn. Für die Eröffnung von Verhandlungskapiteln können Bedingungen gestellt werden. Die finanziellen Folgen der Beitritte sollen "geprüft" werden.

Bei konkreten Beitrittsdaten gegenüber Kroatien, Mazedonien und der Türkei - diese drei Länder haben derzeit Kandidatenstatus - hält sich die Brüsseler Behörde zwar bewusst bedeckt. Aber: "Eine neue institutionelle Regelung sollte erreicht sein, wenn das nächste neue Mitglied bereit ist, der Union beizutreten." Doch selbst wenn in den nächsten Jahren keine EU-Verfassung die Unionsstrukturen reformiert, lässt die Formulierung "sollte" die Türe zumindest für den Beitritt Kroatiens bewusst offen. Zwar kämen die nächsten Beitritte nicht wie ein "Expresszug" daher, sagte Rehn. Von einem Stopp ist allerdings keine Rede. Seite 8