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Trotz kurzlebiger Stagnation -Wirtschaft fundamental stärker denn je

Von Prof. Anton Kausel

Wirtschaft

In etwa 8- bis 10-jährigen Abständen kommt es, ausgehend von den USA, regelmäßig zu konjunkturellen Einbrüchen, die auf Europa übergreifen und die abgeschwächt auch Österreich nicht verschonen. Dies war bereits in den Jahren 1975, 1981 und 1993 der Fall und wiederholt sich jetzt (2001/02).


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Obwohl die damaligen Rückschläge die "Null-Linie" knapp durchbrachen, wurden sie dennoch rasch überwunden. Demgegenüber liegen die erfahrungsgemäß vorsichtigen Wachstumsprognosen derzeit mit 1% bis 1,5% noch immer im positiven Bereich. Viel entscheidender für die wirtschaftliche Zukunft der Nation ist jedoch der fundamentale Befund.

Wachstum und Produktivität

Unser generell überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum wird stärker als jenes der EU von einer kräftigen industriellen Dynamik getragen. Diese eilt der Konkurrenz voraus, und zwar im Zeitablauf in zunehmendem Ausmaß. Erreichte der industrielle Wachstumsvorsprung Österreichs vor der EU im Zeitraum 1970/90 erst 1,2% p.a. und zur gesamten OECD bloß 0,5%, so sprang dieser Bonus seit 1990 auf satte 2,0% zur EU bzw. auf 1,2% zur OECD. Hingegen verringerte sich unser Wachstumsvorsprung für die Gesamtwirtschaft (BIP pro Kopf) in den gleichen Zeiträumen von 0,5% p.a. auf 0,3% zur EU und von 0,6% auf 0,3% zur OECD insgesamt. Diese kaum verständliche Diskrepanz zwischen industrieller und gesamtwirtschaftlicher Dynamik in Österreich kann nur durch einen intensiven Strukturwandel in den 90er Jahren zugunsten der Sachgüterproduktion und zulasten des Dienstleistungssektors (Fremdenverkehr, private und öffentliche Dienste etc.) erklärt werden, der offenbar durch die Ostöffnung und die EU-Integration ausgelöst wurde, die Österreich extrem begünstigten. Die aktuellen Wirtschaftsprognosen von 1,1% (Wifo) und 1,2% (IHS) für 2001 und 1,2% bzw. 1,6% für 2002 liegen zwar über dem OECD-Durchschnitt, aber anders als in den 90er-Jahren etwas unter denen des EU-Raumes. Dieser Befund ist jedoch zu relativieren, weil die zügige Budget-Sanierung in Österreich derzeit schärfer greift als in der EU, wo etliche Länder bereits Mühe haben, den maximalen Defizit-Spielraum von 3% des BIP einzuhalten.

Sanierung ohne Einbußen

Schon seit Jahrzehnten wird die Lage der österreichischen Staatsfinanzen vor allem aus taktischen Gründen überdramatisiert, obwohl die Verschuldungsquote (am BIP) bis heute niemals das EU-Niveau überschritten hat und was noch entscheidender ist, die viel aussagekräftigere Zinsen-Quote dank günstigster Konditionen ("Triple-A-Status") von noch weniger Ländern unterboten wird, ganz abgesehen davon, dass sich der Fiskus durch die "KEST" von den überwiegend inländischen Gläubigern 25% wieder zurückholt. Die Ausgangslage für eine möglichst schmerzfreie Totalsanierung könnte daher dank der "Wachstumsdividende" unserer strukturell kerngesunden Wirtschaft besser nicht sein. Tatsächlich wurden seit dem EU-Beitritt (95) bis auf eine einzige Ausnahme (98) sämtliche Budget-Prognosen und -Voranschläge massiv übertroffen, besonders krass in den letzten Jahren (2000 und 2001). Ohne die (etwas voreilige) Steuer- und Familienreform (99) hätte es das angestrebte "Null-Defizit" schon im Jahr 2000 gegeben. 2001 wurde es dann trotz rückläufiger Konjunktur bereits Realität, wobei für die Endabrechnung sogar ein Überschuss nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Die Effizienz der Totalsanierung kann besonders überzeugend daran gemessen werden, dass die drastische Absenkung der Neuverschuldung von 5% (95) auf 0% (2001) ohne besonders schmerzliche Radikalkuren und ohne Wachstums- und Einkommensverluste gelingen konnte. Noch deutlicher, die realen Netto-Masseneinkommen sind nämlich derzeit die höchsten aller Zeiten in Österreich. Demgegenüber führten z.B. die harten Sanierungsschritte Schwedens und Finnlands zu unfassbaren Wachstums- und Einkommensverlusten in den frühen 90er Jahren von -5% (S) und -11% (Fi), die bis heute noch nicht aufgeholt werden konnten.

Konjunkturwellen kommen und gehen, gesunde Strukturen aber bleiben bestehen. Ob früher oder später, der nächste Aufschwung kommt bestimmt und dann beginnen alle unsere Wettbewerbstrümpfe wieder voll zu greifen, die unsere hohe Standortqualität garantieren.

Erstens, die günstigste Lohn-Stückkosten-Position seit den 50er-Jahren dank Sozialpartnerschaft.

Zweitens, die seit Jahrzehnten, verglichen mit der EU und der OECD, doppelt so starke industrielle Dynamik, insbesondere seit dem EU-Beitritt (95).

Drittens, das dadurch bewirkte hohe Produktivitätsniveau der Gesamtwirtschaft, das im Gegensatz zur übrigen Welt, dank sozialer Eintracht rascher wächst als das reale pro-Kopf-Einkommen, insbesondere seit 1990.

Viertens, eine bisher noch nie beobachtete sprunghafte Erhöhung der Eigenkapitalquote um die Hälfte seit 1990 im Produktionssektor. Und fünftens, die höchste Exportquote von 35% am BIP aller Zeiten, sowie die Halbierung des strukturellen Handelsbilanzdefizits seit 1994, gemessen am BIP.

Das österreichische Spezifikum einer Schere zwischen Einkommen und Produktivität zugunsten der Produktivität erhöht die Problemlösungskapazität auch in anderen Bereichen erheblich. Sie fördert nicht nur eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik, garantiert höchste Geldwertstabilität und ermöglicht erst eine spannungsfreie Budget- und Sozialpolitik. Es gibt daher in Österreich kein noch so umstrittenes Problem, das nicht elegant gelöst werden könnte, wenn nicht sofort, dann eben später...... Der "Euro" kommt gerade recht. Er garantiert pro futuro die Unanfechtbarkeit unserer soliden Position der Stärke.

Prof. Dr. Anton Kausel leitete von 1956 bis 1973 die Abteilung Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und Öffentliche Finanzen im Wifo. Anschließend war er im ÖSTAT tätig. Von 1981 bis zur Pensionierung 1984 bekleidete er dort das Amt des Vizepräsidenten.