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Trotz Milliardenhilfen suchen viele Bosnier ihr Glück in der Fremde

Von Carsten Hoffmann und Zdravko Ljubas

Politik

Sarajewo - Während Bosnien-Herzegowina den zehnten Tag der Unabhängigkeit von Jugoslawien feiert, sehen viele Menschen ihre einzige Chance in der Auswanderung. Die Gründe liegen vor allem in der wirtschaftlichen Not. Die wirtschaftliche Situation und fehlende Perspektiven, auch noch sechs Jahre nach dem Krieg, treiben jetzt auch jene Bosnier in die Ferne, die Gefechte und ethnische Säuberungen überstanden haben. Kanada, Australien und die USA sind die Traumziele.


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Eine Studie des UNO-Entwicklungsprogramms (UNDP) stellte schon vor zwei Jahren fest, dass mehr als 60 Prozent der Jugendlichen das Land verlassen würden, wenn sie könnten. Seitdem hat diese Bewegung noch an Schwung gewonnen. Politiker beklagen, die stetige Abwanderung von Talenten nehme dem Land die Entwicklungschancen.

Trotz Milliardenhilfen sei der Friedensplan von einer Erfüllung noch weit entfernt, heißt es in einer Analyse. Die "International Crisis Group", die den Friedensprozess als regierungsunabhängige Organisation begleitet, macht fünf Hauptprobleme aus: Das Fehlen einer gemeinsamen strategischen Vision, unkoordinierte Führung, fehlende Kommunikation, persönlichen Streit und geringen Erfolg bei den Wirtschaftsreformen.

Einige Politiker in Bosnien meinen, das Abkommen von Dayton, der den blutigen Krieg beendet hatte, habe das Land in ein zu enges Korsett gesteckt. Die Gewaltenteilung zwischen den Volksgruppen und die politische Trennung - bosnische Serbenrepublik und bosniakisch-kroatische Föderation - müsse von einer starken Zentralregierung abgelöst werden, um Fortschritte zu ermöglichen. Nachdem eine Initiative des früheren bosnischen Ministerpräsident Haris Silajdzic zur Änderung von Dayton international keine Unterstützung gefunden hat, hatte sich dieser aus der Politik zurückgezogen.

"Bosnien-Herzegowina ist auf dem Weg, ein normaler europäischer Staat zu werden", sagt der Internationale Bosnien-Repräsentant (OHR), Wolfgang Petritsch. Er erwartet eine weitere Festigung der Demokratie, nachdem die Nationalisten auf dem Rückzug sind. Die Karte für den Weg in die EU müsse aber erst noch gezeichnet werden. "Einige Voraussetzungen sind erfüllt. Die Mehrheit steht noch aus."

Busek: Belastende Alltagsschwierigkeiten

Probleme bei der Suche des Wohnorts und fehlende Arbeitsplätze sind die größten Probleme für die Menschen in Bosnien-Herzegowina, sagt Erhard Busek, der Koordinator für den Balkan-Stabilitätspakt. "Und das zweite, was sicher noch fehlt, ist eine verfassungsmäßige Entwicklung, dass es mehr Gemeinsamkeit gibt." Busek pocht auf die Eigeninitiative des Landes, um den gegenwärtigen Zustand zu verbessern. "Im wirtschaftlichen Bereich, glaube ich, muss man sehen, dass sie nicht nur auf Hilfe von außen angewiesen sind, sondern mehr 'Selbstträger' werden."

Die Energieversorgung bezeichnete der Balkan-Koordinator als in weiten Teilen des Balkan problematisch. Besonders betroffen seien davon die Provinz Kosovo, Albanien und Mazedonien. "Ich halte das aktuelle Energie- bzw. Elektrizitätsproblem für das Problem überhaupt.